Sam Sunderland: Der Champion kehrt zur Dakar zurück

Der Gewinner der Dakar 2017, Sam Sunderland, blickt auf eine durchwachsene Saison in der FIM Cross-Country-Rallies-Weltmeisterschaft zurück. Bis zum finalen Lauf in Marokko war er noch ein Anwärter auf den Titel gewesen, doch dann warf ihn eine Reihe kleiner Verletzungen und Pech aus dem Rennen um die Krone. Trotzdem war sein Speed das ganze Jahr über beeindruckend, schließlich gewann er gleich die ersten beiden Veranstaltungen in Abu Dhabi und Katar. Sam ist bei der 2018er-Ausgabe der Dakar der Mann, den es zu schlagen gilt.

Der KTM BLOG bat den 28-jährigen Briten um ein Interview, um mit ihm über alle möglichen Dinge rund um das Rallyfahren und die Titelverteidigung bei der Dakar zu sprechen …

Sam Sunderland (GBR) KTM 450 RALLY © Marcin Kin

Sam, du bist der amtierende Dakar-Champion. Inwiefern wird sich deine heurige Taktik von der im letzten Jahr unterscheiden?
„Diese Dakar unterscheidet sich stark von der im letzten Jahr. In diesem Jahr fahre ich mit der Nummer Eins auf meinem Bike – bei meiner Teilnahme im letzten Jahr war ich vorher noch nie ins Ziel gekommen. Das hat natürlich einen gewissen Druck zur Folge. Ich werde sie aber trotzdem genauso angehen wie immer – ich nehme jeden Tag so, wie er kommt, und versuche, sicher zu fahren, besonders in der ersten Woche vor dem Ruhetag.“

Wer sind deine Hauptkonkurrenten?
„Das ist eine sehr schwierige Frage. Heute treten so viele große Talente bei der Dakar an. Die Tage, in denen ein oder zwei Jungs um den Sieg fuhren, sind schon lange vorbei. Mit einem Sieg im Rücken kann ich vielleicht etwas entspannter fahren, ich weiß aber, dass ich hart arbeiten muss, um vorne dabei zu sein. Heuer stehen so viele talentierte Jungs, die um den Sieg kämpfen werden, am Start – mehrfache Weltmeister aus den Disziplinen Strandrennen, Enduro und Motocross. Mindestens 10 Jungs haben das Zeug für den Sieg. Meine Teamkollegen werden natürlich ganz vorne mitfahren – Toby Price hat die Dakar bereits gewonnen, Antoine Meo ist mehrfacher Weltmeister und Matthias Walkner ein ehemaliger MX3- und Rally-Weltmeister. Die Jungs von Honda sind extrem schnell und dann ist da noch Pablo Quintanilla, der heuer wieder Weltmeister wurde, aber noch nie eine Dakar gewonnen hat. Er ist in bestechender Form und war noch nie so hungrig auf den Sieg.“

Wie bereitest du dich auf die Dakar vor? Wächst der Druck auf dich, je näher der Start rückt?
„In der Vorbereitungsphase auf die Dakar stehst du unter extremem Druck. Du musst viele Verpflichtungen wie das Trainieren, Testen und Medientermine einhalten. Dabei kann es schon mal schwierig werden, sich auf das eigentliche Training zu konzentrieren und das Beste aus deiner Zeit zu machen. In diesem Jahr geht es in der ersten Woche durch die großen Dünen in Peru, was mir in die Hände spielen sollte. Trotzdem trainiere ich gerne im Sand von Dubai, um am Ball zu bleiben. Darüber hinaus fahre ich viel mit dem Fahrrad, arbeite an meiner Fitness und Ausdauer und betreibe etwas Höhentraining, um mich auf den bolivianischen Teil der Rally vorzubereiten. Ich versuche auch, so viel Zeit wie möglich auf dem Motocross-Bike zu verbringen. Natürlich ist es wichtig, auf dem Rally-Motorrad zu trainieren, aber das Motocross-Bike ist etwas anders und das genieße ich. Ich dachte, wenn ich schon für die nächsten 10 Jahre meines Lebens Rallys fahren werde, sollte ich versuchen, diese Zeit auch zu genießen, und mit dem Motocross-Bike zu fahren genieße ich mehr als alles andere. Es macht mich zu einem besseren Fahrer und ist gleichzeitig meine Leidenschaft. In die Dünen zu fahren und dort die Sau rauszulassen, ist einfach nicht zu übertreffen! In der Vorbereitungsphase auf die Dakar kommt das natürlich nicht in Frage, das Verletzungsrisiko wäre einfach zu groß. Aber wenn ich Zeit habe, gibt es wenig, das mir mehr Spaß macht.“

Sam Sunderland (GBR) KTM 450 RALLY © Marcin Kin

Wenn wir schon von Motorrädern sprechen – wie geht es dir mit der neuen KTM 450 RALLY?
„Ich liebe dieses neue Motorrad. Glücklicherweise konnten wir es ausreichend testen und es sogar bei einem Rennen in Marokko an den Start bringen. Die Jungs haben sehr gut abgeschnitten und das Motorrad scheint in Sachen Leistung und Handling einen großen Schritt vorwärts gemacht zu haben. Ich bin richtig aufgeregt. KTM hat so viel Arbeit und Hingabe in dieses Bike gesteckt. Die Tatsache, dass die Chefetage so ein Projekt überhaupt absegnet, zeigt, welches Vertrauen sie in das Team haben. Meiner Meinung nach ist das ein Grund dafür, dass KTM 16 Jahre in Folge gewinnen konnte. Sie lehnen sich nicht zurück und nehmen Dinge nicht als selbstverständlich hin, sondern arbeiten hart an der Weiterentwicklung des Bikes und finden immer neue Wege, die Leistung zu verbessern. Nicht nur das Team und die Fahrer haben viele Stunden in dieses Motorrad investiert, sondern auch die Designer, Techniker und jeder Einzelne in Österreich. Ich freue mich riesig darauf, es bei der Dakar einzusetzen. Hoffentlich wird unsere harte Arbeit mit einem guten Resultat belohnt.“

Das Team ist sicherlich stark, aber mal ehrlich: Verstehst du dich mit jedem? Es kann nicht immer einfach sein, mit Jungs und Mädels, die eigentlich deine Konkurrenten sind, zu reisen und Zeit zu verbringen!
„Ich verstehe mich eigentlich mit allen gut und die Atmosphäre im Team ist großartig. Die Qualität der Fahrer, die dieses Mal an den Start gehen, ist einfach unglaublich. Wir haben Toby Price, ein riesiges Offroad-Talent und ein Mann, der die Dakar bereits gewonnen hat, den fünfmaligen Enduro-Weltmeister Antoine Meo und Matthias Walkner, einen ehemaligen MX3- und Rally-Weltmeister. Und dann ist da noch Luciano Benavides, ein Neuzugang in unserem Team. Er ist jung und muss noch viel lernen, er ist aber schnell und extrem motiviert. Und schließlich ist da Laia Sanz, eine fantastische Fahrerin. Am Ende eines langen Tages, wenn ich total erschöpft und kaputt bin, brauche ich mir nur Laia anzusehen und schon geht es mir besser. Ihre Einstellung und ihr Speed sind einfach unfassbar. Außerdem ist es großartig, dass alle gleich behandelt werden. Niemand bekommt eine Sonderbehandlung. Wir alle respektieren einander und die Leistungen der anderen. Und in der Startaufstellung haben wir alle das Zeug zu gewinnen. Es gibt keine Favoriten im Team und das gefällt mir.“

Findest du, dass es die Fahrer heute im Vergleich zu jener Zeit, als die Rally noch in Afrika stattfand, leichter haben?
„Meiner Meinung nach ist die Rally heute um nichts einfacher, besonders nicht, was die Route betrifft. Als die Dakar noch in Afrika stattfand, waren die Sicherheitsvorkehrungen sicher schlechter – die medizinische Versorgung in Bezug auf Spitäler, Rettungshubschrauber etc. war weniger gut. Heute fahren wir in Südamerika und die Sonderprüfungen und Bedingungen sind so hart wie nie zuvor, besonders, wenn man das Wetter und das Fahren in großer Höhe berücksichtigt. Abseits der Motorräder hat sich viel verbessert – während die Jungs in Zelten geschlafen haben, können sie heute in Wohnwägen übernachten – das ist schon eine gewaltige Verbesserung. Ich bin dankbar dafür, dass wir heute komfortabel schlafen können und den Luxus haben, uns jeden Tag duschen zu können. Letztes Jahr teilten Matthias und ich uns einen Wohnwagen und sind dann als Erster und Zweiter ins Ziel gekommen. Das war schon cool. Diese Kameradschaft mit dem Teamkollegen ist ganz angenehm, und jemanden zu haben, mit dem man die Resultate des Tages besprechen kann, motiviert beide. Natürlich kommt es auch zu Spannungen, wenn einer von uns den anderen nicht überholen konnte oder wenn ein Fahrer den anderen hunderte Kilometer lang nicht vorbeigelassen hat und du in seinem Staub fahren musstest. Das kann dann schon unangenehm werden, am Ende des Tages einen Wohnwagen zu teilen. Im Allgemeinen ist aber alles in bester Ordnung.“

KTM 450 RALLY © Future7Media

Was ist der härteste Aspekt der Dakar?
„Ganz sicher die Zeit, die du im Sattel verbringst. Dieses Jahr zieht sich die Veranstaltung über 14 Tage, wobei wir am längsten Tag 18 Stunden lang am Motorrad sitzen werden. Selbst auf befestigten Straßen ist es extrem anstrengend, ein Motorrad so lange zu bewegen. Wenn dann noch andere Faktoren – die Hitze, die Kälte, das Terrain, die Seehöhe – dazukommen, wird die Sache noch einmal um Einiges schwieriger. Dieses Element ist sicher das härteste – wenn so viele derartige Tage zusammenkommen, ist das wie ein Schneeballeffekt, der auf die Psyche und den Körper geht.“

Ist es möglich, die Dakar zu genießen?
„Es geht um das Gleichgewicht – du musst viele Tage hart trainieren, das Navigieren üben und deine Fitness verbessern. Dann kommt das Rennen – und manche Tage sind richtig, richtig brutal. Wenn du am Ende einer 1.300 km langen Sonderprüfung bei 45 Grad Celsius, wenn ich hungrig und ausgetrocknet bin, zu mir kommst und mich fragst, ob ich Spaß habe, werde ich wahrscheinlich sagen, dass du dir diese Frage wohl selbst beantworten kannst. Natürlich hast du aber unter anderem so hart gearbeitet, um das Gefühl am Ende noch zu steigern. Es ist wie bei vielen Dingen im Leben – je härter du an der Erreichung eines Ziels arbeitest, desto besser fühlst du dich, wenn du es endlich schaffst.“

Zum Abschluss: Was versprichst du dir vom diesjährigen Rennen?
„Wie bei jeder anderen Sportart auch kommt nach einem Sieg nur ein weiterer Sieg in Frage. Wenn du als Fünfter ins Ziel kommst, willst du dich im nächsten Jahr verbessern, vielleicht aufs Podium kommen. Ich weiß, dass ich gewinnen kann, und so wird das stets mein erklärtes Ziel und das Ziel des Teams sein. Gleichzeitig ist die Dakar wie kein anderes Rennen und überhaupt ins Ziel zu kommen bereits eine große Leistung. Dieses Jahr habe ich vor, genau das zu tun, was ich auch letztes Jahr getan habe – schnell und konstant zu fahren und jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt. Hoffentlich werde ich mir und dem Team so zu einem weiteren Sieg verhelfen.“

Wenn die Rally am 6. Januar in Peru startet, wird Sam versuchen, seinen Titel im Jahr 2018 zu verteidigen.

Sam Sunderland (GBR) KTM 450 RALLY © Marcin Kin

Fotos: Marcin Kin | Future7Media