Sam Sunderland – Gewinner der Segrave Trophy 2017

Besonders, wenn du außerhalb des Vereinigten Königreichs lebst, hast du wahrscheinlich noch nie etwas von der Segrave Trophy gehört. Ein etwas genauerer Blick zeigt aber, dass sich die Liste der Gewinner dieses Preises wie ein Who‘s Who der britischen Motorsport-Szene liest.

Sam Sunderland ist der erste Motorrad-Rennfahrer aus Großbritannien, der die Rallye Dakar gewinnen konnte. Am 14. Januar 2017 überquerte der sympathische Red Bull KTM-Werksfahrer aus Poole in der Grafschaft Dorset die Ziellinie in Argentinien und schrieb sich so in die Geschichtsbücher ein. Die Rallye Dakar wird bereits seit 40 Jahren – erst in Afrika, später dann in Südamerika – ausgetragen. Dennoch gelang es keinem Briten, in irgendeiner Klasse zu gewinnen – bis Sunderland daherkam.

Diese Leistung war für das Komitee der Segrave Trophy Grund genug, ihm den prestigeträchtigen Preis zu verleihen. Die Segrave Trophy wurde im Jahr 1930 von Lady Segrave im Gedenken an ihren Ehemann ins Leben gerufen und ehrt Menschen, die mit ‚herausragenden Fähigkeiten, Mut und Entschlusskraft‘ den ‚Geist des Abenteuers‘ hochhalten. In der Vergangenheit bekamen Motorrad-Legenden wie John Surtees, Joey Dunlop, Barry Sheene und Mike Hailwood diesen Preis verliehen – eine wahrlich beeindruckende Liste!

Sam Sunderland 2018 © Royal Automobile Club

Der KTM BLOG traf Sam im Rahmen der Preisverleihung im Royal Automobile Club in London, um seine Gedanken zu diesem prestigeträchtigen Award zu hören und ihn zu fragen, was er für ihn persönlich und den Motorradsport in Großbritannien bedeutet.

Zuallererst: Herzlichen Glückwunsch zur Segrave Trophy, Sam. Wie ist es, seinen Namen auf dieser unglaublichen Liste zusammen mit all den früheren Siegern zu lesen?
„Es ist ein unglaubliches Gefühl. Ich empfinde große Demut und fühle mich geehrt, jetzt auch auf dieser Liste legendärer Motorrad- und Auto-Rennfahrer und Pioniere des Motorsports zu stehen. Für mich als Offroad-Fahrer ist dieser Award etwas ganz Besonderes, da unsere Disziplinen oft wenig Beachtung finden. Außerdem werden die Medien unserem Sport jetzt mehr Aufmerksamkeit schenken und auch auf internationaler Ebene wird sich dadurch eine Menge tun.

Als ich erfuhr, dass ich den Preis gewonnen hatte, und nachforschte, welche Fahrer ihn in der Vergangenheit überreicht bekommen hatten, war ich total begeistert. Mir gefällt auch, dass der Preis nicht jedes Jahr verliehen wird, sondern nur dann, wenn jemand als würdig erachtet wird – was die ganze Sache noch etwas aufwertet.“

Als jemand, der die meiste Zeit damit verbringt, zu reisen und in aller Welt Rennen zu fahren – denkst du, dass dein Sieg der Segrave Trophy den Cross-Country-Rallyesport in Großbritannien ins Rampenlicht rücken wird?
„Ja, ohne Zweifel. Ich glaube, dass viele Leute in Großbritannien bereits von der Rallye Dakar gehört haben, vielleicht aber nicht viel darüber wissen. Als ich 2017 gewann, reagierte die Öffentlichkeit überschwänglich. Mit diesem Award wird die Aufmerksamkeit noch weiter steigen, weshalb ich glaube, dass er, besonders für den Offroad-Motorsport, extrem wichtig ist. Als stolzer Engländer macht es mich extrem stolz, meinen Namen auf der Liste der Gewinner zu sehen.“

Sam Sunderland (GBR), Red Bull KTM Factory Racing Team & KTM 450 RALLY 2017 © Rally Zone

Du und John McGuinness seid die letzten beiden, denen dieser Preis verliehen wurde – einer ein Rallye Dakar-Sieger, der andere ein 23-facher Sieger bei der Isle of Man TT. Zwei Veranstaltungen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, und dennoch verbindet sie ein Charakter der Extreme …
„Als Motorradfahrer vergessen wir oft, wie extrem unser Hobby eigentlich ist. Mir sind die Vergleiche zwischen der Dakar und der TT bekannt und ich habe sogar einige Freunde, die dort antreten. Es ist wie bei vielen anderen Sportarten auch: Du weißt um die Gefahren, findest aber einen Weg, damit umzugehen. Es geht um den auch im Namen des Awards enthaltenen ‚Geist des Abenteuers‘ und die Herausforderung, nicht nur deinen Gegnern, sondern auch den Bedingungen und der Veranstaltung selbst ins Auge zu blicken. Ich glaube, das ist es, was diese beiden Rennen von anderen unterscheidet und diese beiden Rennen in der Welt des Motorrad-Rennsports so besonders macht, und für meine Leistung so belohnt zu werden, ehrt mich.“

Was unterscheidet deiner Meinung nach den Rallyesport von anderen Kategorien des Motorrad-Rennsports?
„Der vielleicht größte Unterschied liegt darin, dass du bei Rennen wie der TT, Rundstreckenrennen und auch im Motocross den Kurs, die Rennstrecken verinnerlichst. Im Rallyesport ist alles von Kilometer zu Kilometer anders. Du verlässt dich voll und ganz auf dein Roadbook und wenn keine Gefahren darin vermerkt sind, gehst du einfach nicht vom Gas. Wenn du – auf einer blinden Steigung etwa – auch nur kurz zögerst, wirst du keinen Platz unter den ersten 10 ergattern.“

Sam Sunderland (GBR) KTM 450 RALLY 2018 © Marcin Kin

Manche Gewinner der Segrave Trophy waren echte Pioniere und keine Vollblut-Rennfahrer. Das zeigt besonders deutlich, wie wichtig der Geist des Abenteuers ist …
„Es gibt nicht mehr viele Winkel auf der Welt, wo noch nie ein Mensch gewesen ist. Das macht es schwerer, ein Pionier zu sein, aber echte Abenteuer – einfach aufzubrechen und Dinge zu erleben – begeistern und motivieren die Menschen noch heute. Die Leistungen der Männer und Frauen, welche die Segrave Trophy in der Vergangenheit gewinnen konnten, sind einfach umwerfend. Sie waren echte Pioniere ihres Sports oder Abenteuers und haben die Grenzen dessen, was damals möglich war, verschoben. Da waren etwa Malcom Campbell und sein Sohn Donald, die beide Geschwindigkeitsrekorde aufstellten, und Amy Johnson, die im Jahr 1932 alleine von London nach Kapstadt flog. Meinen Namen dieser Liste an Legenden hinzuzufügen, ist ein fantastisches Gefühl.“

Sam Sunderland & Tom Purves (Chairman of the Royal Automobile Club) 2018 © Royal Automobile Club

Du hast die Dakar gewonnen und wurdest für deine Leistungen mit dem Segrave-Award belohnt. Lass uns raten: Du bist trotzdem noch nicht bereit, Gas wegzunehmen, oder?
„Nein, auf keinen Fall. So einfach geht das nicht. Ich bin ein Rennfahrer und als solcher fühle ich oft, dass ich nur so gut bin, wie mein Abschneiden beim letzten Rennen. Die Dakar 2018 war hart für mich. Meine Pace war gut, aber ein kleiner Fehler auf einer der letzten Prüfungen führte dazu, dass ich mir den Rücken verletzte und ich aufgeben musste. Glücklicherweise war ich nicht schwer verletzt und saß ein paar Wochen später schon wieder auf dem Bike. Im Inneren war ich aber am Boden zerstört. Ich wollte unbedingt wieder gewinnen und fühlte mich, als hätte ich mich selbst und das Team enttäuscht. Wenn du einmal die Dakar gewinnst, legst du die Messlatte höher und erwartest von dir selbst, noch besser zu werden.

Ich erinnere mich an den ersten Lauf der Weltmeisterschaft in Abu Dhabi, kurz nachdem ich die Dakar gewonnen hatte. Du hast das Gefühl, dass jeder von dir erwartet, jetzt von Sieg zu Sieg zu fahren, aber so einfach ist das nicht. Es ist, wie wenn du nie am Ende wärst. Du musst weitermachen, weiter um Siege und Resultate kämpfen.“

Danke Sam. Wir gratulieren noch einmal zur Segrave Trophy und wünschen dir alles Gute bei der Dakar 2019.

Fotos: Royal Automobile Club | Rally Zone | Marcin Kin