Seine letzte Dakar #2

Nächstes Jahr tritt Ex-GP-Rennfahrer Jürgen van den Goorbergh das letzte Mal bei der härtesten aller Rallys – der Rallye Dakar – an. Derzeit bereitet sich der 47-Jährige mit Volldampf auf sein zehntes Antreten bei der legendären Veranstaltung vor. Drei Episoden lang werden wir ihn dabei begleiten.

© Jarno van Osch/Shot Up Productions

Obwohl er eigentlich nach Experience Island kam, um mit seinem Dakar-Bike zu trainieren, sitzt er die meiste Zeit in seinem Mercedes Sprinter und telefoniert. „Sponsoren-Angelegenheiten; ohne sie geht gar nichts, also …”, erklärt Jurgen. „Viele wissen gar nicht, wie viel Zeit dafür in der Vorbereitung draufgeht. Das Geld, das du für einen Dakar-Einsatz brauchst, fällt schließlich nicht einfach vom Himmel.“ In diesem Zusammenhang kann van den Goorbergh von Glück reden, dass er sich über die Jahre ein Netzwerk treuer Sponsoren aufgebaut hat; alle Sponsoren, die letztes Jahr sein Bike zierten, sind auch heuer wieder auf der neuen KTM zu finden. „Als ich im Jahr 2009 meine erste Dakar bestritt, hatte ich einen großen Vorteil, da mich viele noch aus meiner Zeit als GP-Rennfahrer kannten. Die meisten Firmen, die mich heute unterstützen, wurden allerdings durch meine Leistungen in der Rallye Dakar auf mich aufmerksam, nicht durch meine GP-Vergangenheit. Das gefällt mir eigentlich ganz gut – sie schätzen mich als Dakar-Fahrer.“

Aufgrund seiner Bekanntheit in den Niederlanden und seiner Dakar-Erfahrung wird Jurgen van den Goorbergh wohl nicht so schnell bei den Unternehmen anklopfen müssen. Nichtsdestotrotz muss er viele Stunden damit verbringen, denen, die ihn unterstützen, etwas zurückzugeben. „Um Sponsoren an Land zu ziehen, braucht es einen gewissen Goodwill-Faktor. Du musst eine starke Bindung aufbauen. Dann wollen die Unternehmen dich natürlich in ihre Werbung einbinden – da muss alles auch entsprechend aussehen.“ Und schließlich ist da noch die Publicity; ein wichtiger Faktor beim Sponsoring. „Diese Sponsoren ermöglichen mir den Start bei der Dakar und wollen dafür natürlich eine Gegenleistung. Beispielsweise, dass ich ihre Produkte und Dienstleistungen auf meinen Social-Media-Profilen zeige. Ich habe zahlreiche Follower in den sozialen Medien – viele davon noch aus meiner Zeit in der MotoGPTM. Das hilft sicher und macht die ganze Sache einfacher.“

Van den Goorbergh gibt sich Mühe, seine Sponsoren zufriedenzustellen. © Jarno van Osch/Shot Up Productions

Kein Abenteuer für dünne Brieftaschen
Wenn man hört, wie viel ein Dakar-Einsatz kostet, wird schnell klar, warum es so wichtig ist, gute Sponsoren zu haben. „Ich trete in der Malle Moto-Klasse an, was bedeutet, dass ich kein Service-Team habe, das mir zu Hilfe kommen kann. Es handelt sich dabei um die reinste Form der Dakar und das liebe ich. Natürlich macht es finanziell einen Unterschied, kein ganzes Team einzusetzen und zahlen zu müssen. Trotzdem kostet die Teilnahme in dieser Klasse rund 50.000 Euro. Immer noch ziemlich viel Geld, aber bei Weitem der günstigste Weg, bei der Rallye Dakar zu fahren. Selbst wenn du es schaffst, einen Platz in einem Team zu ergattern, musst du zwischen 75.000 und 125.000 Euro auslegen.“

Damit sind aber nur die Kosten des Dakar-Einsatzes selbst gedeckt, die der Vorbereitung sind da noch nicht inkludiert. Diese 50.000 Euro gehen in das Bike, die Teile, die Startgebühr und alles, was Jurgen van den Goorbergh während dieser zwei Wochen in Südamerika brauchen könnte. „Für Enduro-Fahrer ist es praktisch unmöglich, an der Dakar teilzunehmen. Viele dieser Jungs sparen viele Jahre und heute musst du ein gewisses Niveau erreicht haben. Um zum Start zugelassen zu werden, musst du etwa an einigen Rallys teilgenommen haben. Und auch diese Rallys kosten viel Geld.“

Ein Teil des Budgets fließt in die Publicity für die Sponsoren. „Die Rallye Dakar ist in den Niederlanden sehr populär, aber nur ein kommerzieller Sender berichtet aktiv über das Renngeschehen. Wenn du dein Gesicht auf dem Bildschirm sehen willst, musst du viel dafür zahlen. Aus deren Sicht ein kluger Schachzug, denn als Teilnehmer bleibt dir nichts anderes übrig. Deine Sponsoren wollen ihr Logo im Fernsehen haben.“ Abgesehen von den täglichen Berichten während der Rally organisiert der Fernsehsender jedes Jahr einen Dakar-Vorprolog in den Niederlanden. Jurgen van den Goorbergh war mit dabei. „Das kostet noch einmal ein paar Mäuse, bringt aber viel extra Publicity. Und neben der geschäftlichen Seite kommen auch viele Dakar-Fans zum Zusehen dorthin. Eine gute Chance also, um sich zu präsentieren.“ Vor mehr als 17.000 Zuschauern gewann der 47-Jährige den Vorprolog souverän. „Das Rennen ist kaum der Rede wert, aber du willst natürlich trotzdem gewinnen. Glücklicherweise gelang mir das auch, genau wie im Vorjahr.“

© Jarno van Osch/Shot Up Productions

Stempel über Stempel
Mit all seinen treuen Sponsoren im Rücken sieht Jurgen van den Goorbergh seiner zehnten Dakar mit Selbstvertrauen entgegen, während der Start der ersten Sonderprüfung jeden Tag näher rückt. Sein selbst aufgebautes KTM-Rallymotorrad ist gerade auf dem Weg nach Südamerika. „Das Bike in Le Havre auf die Reise zu schicken, fühlt sich wie ein kleiner Start an. Du stehst kurz davor, zu etwas aufzubrechen, wofür du monatelang trainiert hast und das dein ganzes Leben dominiert hat.“ Verschifft wird das Motorrad mehr als einen Monat vor dem Start der Rally. „Ich stehe früh auf, weil ich bis 9:15 Uhr morgens einchecken muss. Zu dieser Zeit bekomme ich auch mein Stempelbuch, das mit den richtigen Stempeln befüllt und von den jeweiligen Dokumenten begleitet werden muss.“ Die erste Aufgabe ist, das Navigationssystem, das man von den Veranstaltern bekommt, zu montieren. „Du musst das GPS selbst montieren und sicherstellen, dass es korrekt funktioniert. Wenn du damit fertig bist, bekommst du den ersten Stempel. Der Check des Motorrads läuft ähnlich ab: Wenn es in Ordnung ist, darfst du in den nächsten Bereich der Werft fahren. Dort übergibst du dann alles. Sie verpacken das Motorrad in einer Kiste und wenn du in der Malle Moto-Klasse teilnimmst, musst du hier auch deine eigene Kiste abgeben – diese kommt dann in einen getrennten Container.“

Abgesehen vom Verladen des Bikes und der Ausrüstung müssen Fahrer auch die notwendigen Dokumente vorzeigen. Das betrifft Dinge wie den Reisepass, den Führerschein, Visa, die Zulassung des Motorrads, Rennlizenzen, Impfpässe etc. „Es kommt einiges an Papierkram zusammen und alle Dokumente zu besorgen, dauert lange. Insgesamt verbringst du gute vier Stunden mit den Organisatoren, bevor du wieder nach Hause fahren kannst. Werksfahrer haben es da leichter; die schicken einfach einen Mechaniker, der sich dann um alles kümmert. Die müssen nicht persönlich erscheinen.“

Wenn etwas nicht in ganz in Ordnung ist – zum Beispiel, wenn du ein Dokument auf dem Küchentisch liegengelassen hast – ist das kein großes Malheur und gefährdet deinen Start nicht. „Kein Grund zur Sorge, diese Dinge können später bereinigt werden. Die oberste Priorität ist, das Bike zu verladen. Es ist noch nie vorgekommen, dass die Ausrüstung nicht angekommen wäre. Wenn du dein Bike nicht durch die technische Abnahme bringst, bist du wirklich in Schwierigkeiten.“

© Jarno van Osch/Shot Up Productions

Kein Grund zur Sorge
Aus dem Mund eines neunmaligen Teilnehmers hört sich das vielleicht etwas merkwürdig an, aber van den Goorbergh ist erfreut darüber, dass diese Rally seine letzte in Südamerika sein wird. „Die Vorbereitung ist eine harte Zeit. Du musst nicht nur körperlich in Form kommen. Auch der mentale Aspekt laugt dich aus. Es ist einfach so viel zu organisieren und sicherzustellen, besonders kurz vor der Verschiffung. Zu diesem Zeitpunkt fühle ich mich ordentlich abgekämpft, wenn ich alles mit dem tagtäglichen Stress in der Arbeit verbinden muss. Das ist alles andere als einfach”, gibt van den Goorbergh zu. „Aus diesem Grund kann ein Ausfall dich richtig fertigmachen. Letztes Jahr fiel ich schon am vierten Tag aus. Die Sponsoren zahlten viel Geld und ich investierte so viel Zeit und Energie, nur um dann so schnell draußen zu sein – das war schon niederschmetternd. Du kannst dir vorstellen, was du nur deshalb durchmachen musst.“

Trotz dieser großen Enttäuschung im letzten Jahr ist van den Goorbergh mehr als bereit, noch einmal zu zeigen, was in ihm steckt. „Ich habe dieses Spiel schon viele Male gespielt, ich kenne es also in- und auswendig. Alles, was ich möchte, ist beweisen, dass ein selbst aufgebautes Bike es schaffen kann und dass so ein Motorrad eine großartige Alternative für Dakar-Teilnehmer darstellen kann. Außerdem freue ich mich über die geplante Route, da wir wieder durch Peru fahren werden. Für Enduro-Fahrer ist das wie ein wahr gewordener Traum. Das alleine ist Grund genug, es noch einmal zu versuchen, selbst wenn es bedeutet, ein weiteres Jahr für die Vorbereitung auf die Dakar zu opfern.“

Van den Goorbergh betont, wie wichtig es seiner Meinung nach ist, einen klaren Zeitplan für Dezember zu haben. Er wird versuchen, nicht zu oft an die Arbeit zu denken, sodass er am ersten Januar das Flugzeug nach Lima besteigen kann, ohne sich zu viele Sorgen machen zu müssen. „Ich versuche, mich so gut wie möglich auszuruhen, aber es ist nicht einfach. Ich bin immer noch dauernd am Vorbereiten. Und natürlich versuche ich, so oft wie möglich mit der Enduro zu trainieren, da der richtige Rhythmus entscheidend ist. Einen Monat lang nicht zu fahren, kommt nicht in Frage, denn dafür müsste ich bei der Dakar einen hohen Preis bezahlen.“ Für die meisten Menschen dreht sich im Dezember alles um die Feiertage. Nicht so für van den Goorbergh. „Man würde annehmen, Weihnachten mit der Familie wäre etwas Besonderes, weil ich sie im Januar einige Wochen lang nicht sehen werde. Tatsächlich aber werde ich diese Zeit nicht richtig genießen können, weil ich mit den Vorbereitungen auf die Rally viel zu beschäftigt sein werde. Meine Gedanken schwirren nur so herum und ich gehe alles wieder und wieder durch. Dabei vergesse ich oft, welcher Tag es ist. Die Menschen um mich herum müssen mir sagen, dass Weihnachten ist, weil es mir sonst nicht auffallen würde. In diesen letzten Tagen vor der Abreise wandle ich herum wie ein Zombie. Der Druck ist enorm und so freue ich mich schon riesig auf Weihnachten 2018. Ich bin neugierig darauf, wie sich Weihnachten ohne die Aussicht auf eine extrem harte Rally anfühlen wird. Und so werfen wir uns noch einmal in die Schlacht und ich tue mein Möglichstes, um mich auf die beste mir mögliche Weise von der Rallye Dakar zu verabschieden.“

Die dritte und letzte Folge dieser Serie wird Anfang Januar online gestellt. Willst du in der Zwischenzeit über Jürgen van den Goorberghs Vorbereitungsarbeit auf dem Laufenden bleiben? Dann folge ihm doch auf  Twitter und Facebook.

© Jarno van Osch/Shot Up Productions

Fotos: Jarno van Osch/Shot Up Productions