Stiller Erfolg

5,4 Millionen Einwohner. 20 verschiedene Motorrad-Weltmeister in acht verschiedenen Disziplinen, mehr als 200 Einzelmedaillen bei Weltmeisterschaften. Das weltweit erfolgreichste Land im Motorradsport gemessen an der Zahl der Einwohner. Was ist ihr Geheimnis? Wir reisten nach Finnland, um mehr über das Land des stillen Erfolgs zu erfahren.

Weniger als 3.000 Menschen leben hier. Hier ist in Konnevesi, ein kleiner Ort in der Mitte von Finnland oder besser, mitten im Nirgendwo. Aber mit 181 Welt-, Europa- und Finnischen Meisterschaftsmedaillen, ist es einer der bekanntesten Motorrad-Orte in Finnland. Der Ort ist so berühmt, dass einige bereits vorgeschlagen haben, den Namen von Konnevesi in Konevesi zu ändern, was Motorwasser bedeutet. Wasser gibt es hier in Form von Seen überall, denn Finnland hat fast 190.000 Seen. Während der Winterzeit sind die meisten gefroren, was den Bewohnern die großartige Möglichkeit gibt, Rennen auf Eis zu fahren.

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Ice Road Racing Konnevesi (FIN) © Peter Ziegler

Zehn Grad unter Null sind hier angenehme Temperaturen, denn im März kann es in Finnland auch schon mal minus zwanzig Grad haben. Der zugefrorene See ist voller Menschen, Autos, Traktoren und natürlich Motorrädern. Das fünfte Saisonrennen der finnischen Ice Road Racing Meisterschaft steht kurz vor dem Start. Die Motorräder rollen in die Startaufstellung. Grünes Licht. Vollgas. Die Luft ist erfüllt vom wundervollen Sound von 2- und 4-Takt-Motoren und leichtem Schneestaub, den die Spikes aufwirbeln, während sie sich ins Eis graben. Die Art, wie die Fahrer ihre Motorräder um die Strecke und durch die Kurven bewegen ist etwas, das man selbst erleben muss. Unter diesen extremen Bedingungen hilft am Limit nur noch Talent. Großartige Rennen, enge Zweikämpfe, eine beeindruckende Show. Das ist Ice Road Racing auf höchstem Niveau.

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Kari Vehniäinen © Nita Korhonen

In der Startaufstellung stehen die besten finnischen Ice Road Racer, aber das wichtigste Merkmal dieses Sports ist, dass es Menschen verschiedenster Disziplinen zusammenbringt. In diesem Winter nahmen bekannte Namen an der finnischen Meisterschaft teil: MotoGP-Testfahrer Mika Kallio, KTM Ajo Motorsport Teammanager Aki Ajo, der letztjährige Moto3-Fahrer Niklas Ajo, IDM-Superbike-Pilot Tatu Lauslehto und Pekka Päivärinta sowie Kirsi Kainulainen, der letztes Jahr Weltmeisterschaftsbronze in der Road Racing Side Car-Serie gewann.

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Aki Ajo © Tuomosalonen

Aber was ist der Grund dafür, dass zum Beispiel Mika Kallio nach dem Test in Jerez direkt nach Finnland, statt in seine Wahlheimat Monaco flog? Seit Jahren profitieren Finnen von ihrem Training auf Eis. Bereits der Straßenweltmeister von 1972, Jarno Saarinen, begann seine Erfolgsgeschichte auf dem glatten Untergrund. Finnen sind Experten darin, ihre Motorräder in verschiedenen Disziplinen und unter schwierigsten Bedingungen zu bewegen. Besonders in Regenrennen haben sie schon häufiger von ihrem Training auf Eis profitiert. Wie gut diese Art der Vorbereitung ist, weiß auch Aki Ajo und holt deshalb häufiger ausländische Fahrer zum Training nach Finnland.

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Mika Kallio © Sarita Niemelä

Ice Road Racing-Legende Kari Vehniäinen, der in Konnevesi alle Klassen gewann, sagt: „Die Ice Road Racing-Erfahrung ist etwas, von dem die Finnen ganz klar profitieren. Ich kenne keine andere Disziplin, in der du so gut lernst, das Motorrad bei hoher Geschwindigkeit zu fahren und zu kontrollieren und dir gleichzeitig einen sicheren Weg bietet, deine Grenzen auszutesten. Ice Road Racing wäre mit Sicherheit auch in deren Ländern Europas populär, wenn es dort möglich wäre.“

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Kari Vehniäinen © Nita Korhonen

Mit Abschluss der Saison gewinnt Vehniäinen seine fünfundzwanzigste finnische Meisterschaft. Nicht schlecht für einen 40-Jährigen, der seine Erfolgsgeschichte auch im Sommer bei Road Racing Events fortsetzt. Vehniäinen dominiert die Szene seit Jahrzehnten, aber im Fahrerlager ist er nur einer unter vielen. Keine Sonderbehandlung, keine Arroganz. Er ist immer bereit, seinen Rivalen zu helfen. Das scheint eine typische Eigenschaft dieser Menschen zu sein. Auch nach so vielen Erfolgsgeschichten sind die Finnen nicht dafür bekannt, sich über alle Maßen selbst zu loben. Sie arbeiten hart und lassen eher Taten als Worte für sich sprechen. Es scheint, dass diese Menschen aus dem Norden genauso leise sind wie ihr Erfolg. Zusammenfassen lässt sich der Grund ihres Erfolgs mit dem Wort „Sisu“, das der halbe Finne Nico Rosberg, Sohn des Formel 1-Weltmeisters Keke Rosberg, nach seinem Sieg beim Bahrain-GP erklärte: „Sisu ist der finnische Kampfgeist“. Diese Menschen sind ganz entspannt, fast schon schüchtern, wenn sie durch das Fahrerlager laufen, aber sobald sie den Helm aufsetzen, verändert sich ihr Charakter.

Es sind also nicht nur Motorradfahrer, die vom Training auf Eis profitieren. Auch finnische Rally- und Formel 1-Piloten haben Spaß am Fahren auf gefrorenen Seen. Es ist bemerkenswert, wie so ein kleines Land im Norden Europas es Jahr für Jahr schafft, Namen wie Kimi Räikkönen, Mika Häkkinen, Valtteri Bottas, Tommi Mäkinen, Juha Kankkunen, Ari Vatanen, Jari-Matti Latvala, Mika Kallio, Jarno Saarinen, Heikki Mikkola, Kari Tiainen, Mika Ahola, Juha Salminen, Eero Remes und viele mehr hervorzubringen.

Es wäre einfach falsch, die Bedeutung und den Trainingseffekt von Eisrennen zu unterschätzen, ihr Geheimnis, das sie fast unschlagbar macht.

Fotos: Tuomosalonen | Mika Kallio | Peter Ziegler | Nita Korhonen | Sarita Niemelä | Mara Halonen