Team Orange: Bereit für den Sieg

Werden sie es diesmal schaffen? Die orange Riege der Niederländer wird sich beim Motocross der Nationen mit leistungsstarken KTM-Offroad-Bikes präsentieren. Das Motocross-Rennen, bei dem Länderteams gegeneinander antreten, startet am Sonntag in Matterley Basin.

Letztes Jahr kam das niederländische Team dem ersten Platz beim Motocross der Nationen so nah wie nie zuvor und hätte fast Geschichte geschrieben. An jenem Sonntag im September verloren Jeffrey Herlings, Glenn Coldenhoff und Brian Bogers um nur einen Punkt. Frankreich war ihnen eine Nasenlänge voraus und schlug die Niederländer 30 zu 29. Das wird nun ihr nächster Versuch, die wichtigste Trophäe im wahrscheinlich angesehensten MX-Rennen des Jahres einzuheimsen, diesmal auf der fordernden Strecke von Matterley Basin. Natürlich treten die Niederländer in orange an den Start, da sie aber alle auf KTM-Maschinen fahren, sind sie noch ein bisschen mehr orange als üblich.

#4 Glenn Coldenhoff, #5 Brian Bogers & #6 Jeffrey Herlings © Tamara Siebes/KNMV

Eines ist sicher – die Jungs brennen darauf loszulegen. Das ist auch nicht anders zu erwarten, nachdem sie im letzten Durchgang des Rennens um nur einen Punkt verloren haben. Nah genug, um den Champagner der Sieger zu kosten, den Sieg aber doch um Haaresbreite verfehlt. Eine Woche bevor die Startgatter in Großbritannien fallen, kamen niederländische Motocross-Fans im Motorsportpark Gelderland Midden zusammen, um sie zu verabschieden. Nur wenige Minuten vom wunderschönen Nationalpark De Hoge Veluwe entfernt zeigten Herlings, Coldenhoff und Bogers, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Nach ein paar Demo-Runden setzten wir uns mit ihnen zusammen und fragten sie, wie sie ihre Chancen gegen die weltweit stärksten Nationalteams einschätzen. Und da Herlings eine beeindruckende erste MXGP-Saison hinlegte, werden wir ihm ein paar zusätzliche Fragen stellen.

#4 Glenn Coldenhoff – MX1

#4 Glenn Coldenhoff © Jarno van Osch/Shot Up Productions

Letztes Jahr habt ihr – um Haaresbreite – gegen Frankreich verloren und dem französischen Team den dritten Sieg in Folge beschert. Wird der Sieg dieses Jahr wieder an das französische Team gehen?
„Am Ende stehen immer die Besten oben am Podest, und das wird dieses Jahr nicht anders sein. Stark sind Frankreich, die USA und Belgien, aber man sollte auch die Schweiz und Großbritannien nicht unterschätzen, die ebenfalls tolle Teams an den Start schicken. Für mich ist Frankreich der stärkste Gegner, aber der ist nicht unschlagbar. Die Franzosen waren immer wieder verletzt und mussten letztendlich einen starken Enduro-Fahrer als Ersatz nehmen. Aber Christophe Charlier hat seine Wurzeln im Motocross, es ist also nicht zu erwarten, dass das Team dadurch wirklich geschwächt wird. Tatsache ist aber, dass er Ersatzfahrer und sicher nicht der beste MX2-Fahrer in Frankreich ist. Das könnte anderen Ländern helfen, ein paar Punkte zu machen.“

Was können die Niederlande deiner Meinung nach tun?
„Wie letztes Jahr fahren wir natürlich auch heuer wieder unsere schweren Geschütze beim Nations-Rennen auf. Ich habe das Gefühl, dass wir gewinnen können, aber bei so einem Event kann alles passieren. Wichtig ist, von Anfang an alles zu geben und gute Ergebnisse zu erzielen. Jeffrey ist besser in Form als je zuvor und Brian scheint auch gut drauf zu sein. Ich bin der Einzige, der gerade nicht in Höchstform ist. Ich bin leicht verletzt und habe das Gefühl, dass ich im Moment nicht so fahren kann, wie ich gerne möchte. Aber wir haben noch eine Woche Zeit und ich denke, dass ich bis zum MX der Nationen wieder voll fit sein werde. Außerdem habe ich nach den enttäuschenden Ergebnissen bei meinen zwei letzten GPs noch etwas aufzuholen. Ich habe das Gefühl, dass ich noch eine Rechnung offen habe, und das nehme ich als Motivation mit. Wenn es etwas gibt, das ich hasse, dann ist es, mit schlechten Ergebnissen in den Winter zu starten. Das fühlt sich einfach nicht richtig an.“

#4 Glenn Coldenhoff © Jarno van Osch/Shot Up Productions

Warum ist das Motocross der Nationen so speziell?
„Für mich fühlt es sich an wie die Olympischen Spiele des Motocross. Dein Land zu vertreten, das ist ein ganz besonderes Gefühl. Ich war überrascht, letztes Jahr so viele Niederländer in Maggiora zu sehen. Es war ein tolles Bild, vor allem weil wir es auf das Podest schafften. Ich habe gehört, dass wir auch in Matterley Basin wieder viele Landsmänner erwarten können. Deshalb ist die Veranstaltung ein bisschen spezieller als alle anderen.“

Die Niederlande haben das Motocross der Nationen noch nie gewonnen. Glaubst du, dass ihr das ändern könnt?
„Wirklich? Das wusste ich gar nicht. Ich hab auf jeden Fall ein gutes Gefühl dieses Jahr. Ziel ist das Podest, aber es ist alles offen. Es wird sicher bis zum Ende hart gekämpft, aber warum soll nicht Holland ganz oben am Podest stehen.“

#5 Brian Bogers – MX2

#5 Brian Bogers © Jarno van Osch/Shot Up Productions

Bist du mehr unter Druck, nachdem ihr letztes Jahr Zweite geworden seid?
„Nein, nicht wirklich. Ich freue mich eher darauf, weil wir gemeinsam als Team antreten. Wir haben bewiesen, dass wir bei den Großen mithalten können, und ich glaube, das können wir immer noch. Wir haben auch viel gelernt aus letztem Jahr, und mit ein bisschen Glück können wir diesmal gewinnen. Natürlich müssen wir das Rennen erst noch fahren und ein Sturz könnte alles in Sekunden zunichtemachen.“

MX2-Fahrer müssen ihre Einzelrennen sehr schnell hintereinander absolvieren. Muss man sich dafür speziell vorbereiten?
„Es ist natürlich anders als ein GP. Ich habe mit kürzeren Abständen zwischen Einzelrennen trainiert. Sobald die Startflagge für das erste Rennen fällt, haben wir eine Stunde Zeit, um uns auf das zweite Rennen vorzubereiten. Die Zeit ist kurz und wir müssen auch an Dinge denken wie den Tank aufzufüllen. Auch das Essen dazwischen haben wir uns gut überlegt. Es ist wichtig, zwischen den Rennen etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Aber es darf nicht zu viel sein, sonst rächt sich das im zweiten Rennen. Das ist etwas, das ich definitiv letztes Jahr gelernt habe. Ich fühle mich fit, besser als das ganze Jahr bisher. Das stärkt wirklich das Selbstvertrauen für das MX der Nationen.“

#5 Brian Bogers © Jarno van Osch/Shot Up Productions

Was hast du noch aus dem MX der Nationen letztes Jahr gelernt, das dir dieses Jahr helfen wird?
„Letztes Jahr blieb ich hinter einem MX1-Fahrer stecken und konnte ihn einfach nicht überholen. Ich wusste, dass ich schneller war, aber er konnte das wettmachen, indem er mehr Gas gab. Und dann stürzte ich, weil ich ständig versuchte, ihn in jeder Kurve zu überholen. Ich habe gelernt, meine Taktik in solchen Situationen anzupassen. Ich habe gelernt, Ruhe zu bewahren und mich darauf zu konzentrieren, den einen Punkt zu finden, an dem ich gut überholen kann. Solch ein Fehler kann unsere Position wirklich schwächen. Da ich auf einem MX2-Bike sitze, ist es wichtig, dass ich einen guten Start hinlege, damit ich nicht hinter diesen verflixten 450-Fahrern stecken bleibe, die ich dann irgendwie überholen muss.“

Du hast gesagt, jeder Platz auf dem Podest wäre gut genug, aber was, wenn ihr als Dritte ins Ziel kommt? Wäre das nicht eine große Enttäuschung nach dem zweiten Platz letztes Jahr?
„Ich denke schon, aber das hängt auch vom Ablauf des Rennens ab. Unter manchen Umständen kann sich ein dritter Platz wie ein Sieg anfühlen. Und man darf nicht vergessen, dass Holland winzig ist. Wenn wir den dritten Platz schaffen, können wir stolz darauf sein. Aber wir sind natürlich Motocross-Rennfahrer und wollen immer das bestmögliche Ergebnis. Letztendlich wollen wir gewinnen, und ich denke, das sollte möglich sein!“

#6 Jeffrey Herlings – OPEN

#6 Jeffrey Herlings © KTM/Ray Archer

Zuerst zur Saison 2017 – wie waren die letzten paar Monate?
„Ja, wir hatten einen schlechten Start und es war unrealistisch, bei den ersten beiden Rennen erfolgreich zu sein. Ich konnte zwar auf dem Motorrad sitzen, aber das war’s auch schon. Nach vier GPs war ich aus dem Rennen für die Weltmeisterschaft. Es zieht dich wirklich ganz schön runter, wenn du in keinem Rennen das Ergebnis schaffst, das du möchtest. Träge am 15. Platz durchs Ziel zu rollen ist wirklich schwer zu verkraften. Man beginnt an sich und an allem zu zweifeln. Meine Verletzung wollte nicht richtig heilen, und wir hatten einen dicht gedrängten Zeitplan und mussten viel reisen. Erst als wir zurück nach Europa kamen, konnte ich mich auf das Training konzentrieren und ohne Schmerzen fahren.“

Und dann wendete sich das Blatt.
„Von dem Moment an ging alles sehr schnell und in Valkenswaard stand ich zum ersten Mal auf dem Podest. Danach verfehlte ich das Podest nur drei- oder viermal. Ich denke, ich habe wirklich alles gegeben.“

Wenn ich mir die Zahlen ansehe, hast du in deinen ersten vier GPs 59 Punkte gemacht. In den letzten vier GPs 164. Das war mehr oder weniger deine Saison.
„Wenn ich diese zusätzlichen 100 Punkte am Anfang der Saison geschafft hätte, wäre ich jetzt Weltmeister. Aber das bin ich nicht und man soll nicht der Vergangenheit nachhängen. Ich konzentriere mich auf nächstes Jahr, wenn wir alle wieder bei null anfangen.“

Wie ist es für dich, dass jetzt der Winter beginnt? Wie fühlst du dich bei dem Gedanken, den Titel nicht bekommen oder sechs GPs gewonnen zu haben?
„Wenn ich die Saison ohne Verletzung begonnen hätte, hätte ich um den Titel kämpfen können, aber ich war schon zu Beginn 3-0 hinten und wusste, dass es hart werden würde. Ich hatte ein paar Erfolge, aber die zählen am Ende nicht. Was zählt, ist nur der Weltmeistertitel. Deshalb konzentriere ich mich auf die sechs GP-Siege und nehme dieses gute Gefühl mit in den Winter. Jetzt heißt es Ausruhen, Energie sammeln. Danach ist das Chaos der letzten Saison vergessen und wir fangen wieder von vorne an!“

#6 Jeffrey Herlings © Jarno van Osch/Shot Up Productions

Was war der wichtigste Moment der Saison für dich?
„Das war mein AMA-Sieg beim Ironman National. An dem Wochenende war ich einfach am schnellsten, mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Ich gewann beide Einzelrennen. Mein erster MXGP war auch etwas Besonderes mit meinem Sieg in Assen. Aber der Ironman war noch besser. Ich hatte schon vor ein paar Jahren geplant, dort mitzumachen, aber zwei Wochen vorher brach ich mir den Oberschenkel. Diesmal hatte ich nichts zu verlieren, konnte alles geben und dadurch einen Riesen-Erfolg erzielen. Das war einfach großartig.“

Deine Saison endet mit dem Motocross der Nationen. Ist es schwierig, noch Energie für das nächste Rennen aufzubringen?
„Nein, nicht wirklich. Ich habe das Gefühl, dass ich noch nicht alle Fehler vom Anfang der Saison wiedergutgemacht habe, sondern noch etwas zu erledigen habe. Ich bin superfit, aber vor allem freue ich mich richtig darauf. Für mich ist das eines der wichtigsten Rennen des Jahres und ich strebe definitiv den Sieg an.“

Letztes Jahr war das niederländische Team auf dem zweiten Platz. Denkst du je darüber nach, dass ihr fast Geschichte geschrieben hättet?
„Man kann keinem die Schuld dafür geben, dass wir nicht auf dem ersten Platz landeten. Wir haben alle drei unser Bestes gegeben und leider verloren. Natürlich ist es ärgerlich, den Sieg so knapp zu verfehlen. Ich hätte lieber um zehn Punkte verloren. Solch ein winziger Unterschied nervt enorm. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Niederlande dort noch nie gewonnen haben. Glücklicherweise haben wir ein starkes Team und die Fahrer einiger Länder haben Verletzungen. Das ist natürlich niemals etwas Gutes, aber es könnte uns helfen. Alles ist möglich, aber wir müssen das Rennen noch fahren.“

Das erste Motocross der Nationen fand in den Niederlanden statt, und damals gewannen die Briten. Werden wir dieses Jahr ein umgekehrtes Szenario erleben?
„Um ehrlich zu sein, ist es mir völlig egal, wo es stattfindet, solange die Niederlande gewinnen, auch wenn es nur einmal passiert. Und wenn Holland gewinnt, dann möchte ich sehr gerne Teil des Teams sein.“

Das Motocross der Nationen wird live auf www.mxgp.com übertragen. Das erste Rennen findet am Sonntag, den 1. Oktober statt. Das Startgitter wird zum ersten Mal um 13:10 Uhr fallen (MXPG und MX2).

#259 Glenn Coldenhoff, #5 Brian Bogers & #6 Jeffrey Herlings © MTRfotografie.nl

Fotos: Tamara Siebes/KNMV | Jarno van Osch/Shot Up Productions | KTM/Ray Archer | MTRfotografie.nl