Interview des Monats: Stefan Huber – Test, Test – 1, 2!

Stefan Huber über Rallye-Tests, den Charakter der verschiedenen Fahrer und Verbesserung durch Zerstörung!

Stefan Huber, der KTM Factory Racing Rally Team Leader, ist ein Rallye-Experte und Herr über die Entwicklung einer Maschine, die eine der härtesten Herausforderungen in der Welt des Motorrad-Rennsports bestehen und gewinnen muss. Dakar-Fahrer müssen den Extremen der Natur – von unglaublicher Hitze in der Wüste und Temperaturen unter Null, extremer Höhe in den Bergen und Sanddünen bis zu technischen Passagen, kompaktem Untergrund, Sand und manchmal Schlamm – begegnen und brauchen dafür ein Bike, das all das bewerkstelligt und die tausenden Kilometer der 14 Sonderprüfungen zuverlässig abspult.

Stefan Huber © Future7Media

KTM hat die letzten 17 Rallye Dakars gewonnen. Das Team, welches sich durch große Arbeitsmoral, Motivation, Wissen und Erfahrung sowie talentierte Fahrer auszeichnet, ist sicher ein wichtiger Faktor in KTMs langer Erfolgsgeschichte bei einem Rennen, bei dem wirklich alles passieren kann.

Das zentrale Element ist aber der große Star der Show, die KTM 450 RALLY-Werksmaschine. Viele Innovationen, spezielle technische Features und die Tatsache, dass es das einzige Bike ist, das eigens für den Rally-Einsatz entwickelt wurde, macht es zur ultimativen Maschine für knallharte Rallyes. Sein Setup ist ein Kompromiss für alle Terrains, einen vollen oder leeren Tank und für heiße und kalte Bedingungen. Das Testen ist ein wichtiger Teil des Rallye-Programms von KTM und egal, ob bei Weltmeisterschaftsrennen oder in einer der Test-Einrichtungen des Teams getestet wird, irgendwie konzentriert man sich immer auf die nächste Dakar.

„Es ist immer ein Kompromiss“, sagt Huber zum Setup des Bikes.

„Bei der Dakar beginnt das Rennen am Morgen vielleicht in den Dünen und wechselt am Nachmittag auf kompakten Untergrund. Man muss also ein Gleichgewicht finden. Auf dem Weg können die Fahrer zwar ein paar Einstellungen vornehmen, aber in der Basis ist das Setup ein Kompromiss“, so Huber.

KTM 450 RALLY © Marcin Kin

In diesem Jahr setzte KTM die letzte Generation seines Renn-Bikes ein und gewann neuerlich. Seit den Tagen eines Marc Coma oder Cyril Despres hat sich eine neue Fahrergeneration entwickelt und auch die Entwicklung der Bikes hat eine neue Richtung eingeschlagen. Mit drei Dakar-Siegern im Team besteht die Herausforderung darin, bei diesem Werksmotorrad jenes revolutionäre Optimum zu finden, das dem Fahrstil und den Vorlieben jedes Fahrers entspricht.

„Wir haben uns bei unserem Werksmotorrad darauf konzentriert, das Bike um diese neue Generation an Fahrern herum zu entwickeln und dabei auf ihre Fahrstile einzugehen. Wir wollten das Handling verbessern, das Gewicht verringern und ein Bike bauen, dass den Bedingungen und der Intensität der heutigen Dakar standhält. Wir konzentrierten uns hauptsächlich auf den Enduro-Fahrstil mit hohen Geschwindigkeiten und Dünen gefolgt von Prüfungen in großer Höhe“, fährt Huber fort.

Sam Sunderland KTM 450 RALLY © Marcin Kin

Beim Testen und Entwickeln in Zusammenarbeit mit der KTM-F&E-Abteilung können Huber und sein Team in der KTM-Motorsport-Abteilung auf viel Know-How zurückgreifen, um ein Bike zu entwickeln, dass selbst härteste Herausforderungen besteht. Bei der Ergonomie des Bikes arbeiten die Designer bei Kiska sowohl mit der KTM-F&E- als auch der KTM-Motorsport-Abteilung zusammen, während die Motorsport-Abteilung von WP bei der Entwicklung der Rahmen eine große Rolle spielt. Die Arbeit hört niemals auf und nach dem Rennen ist vor dem Rennen.

„Die Fahrer suchen immer nach neuen Lösungen, also arbeiten wir am Rahmen, neuen Ideen zur Schwinge, ändern die Härte des Fahrwerks und so weiter. Ein Fahrer will vielleicht mehr Komfort, während ein anderer ein besseres Einlenkverhalten möchte und wir arbeiten auch an der Elektronik wie beispielsweise der Traktionskontrolle. Wir verwenden viel Berechnungs-Software und hören uns die Wünsche der Fahrer an, um auf dem richtigen Weg zu bleiben und gleichzeitig Rennen zu gewinnen.“

„Viel Entwicklungsarbeit wird im Motorsport geleistet, während Kiska mit uns an der Entwicklung des Bodyworks arbeitet. Die Motorenbasis stammt aus dem Motocross-Sport, wir modifizieren sie aber, um den Erfordernissen des Rallye-Sports und dem Setup des Bikes zu entsprechen. Bei der Rahmen-Entwicklung arbeiten wir eng mit der Motorsport-Abteilung von WP zusammen. Wir verwenden Berechnungs-Software, um die Steifigkeit des Rahmens mit einzubeziehen und bauen schließlich eine Testbasis, um zu sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Besonders auf den langen Prüfungen wollen die Fahrer immer mehr Komfort.“

KTM 450 RALLY © PhotosDakar.com

Mit vielen verschiedenen Charaktern im Team – so etwa die unglaubliche Laia Sanz, die ihre KTM bei ihrem achten Dakar-Finish im Januar auf dem 12. Platz ins Ziel brachte – fragen wir Stefan, wer beim Testen die wertvollste Arbeit leistet.

„Unserer Fahrer unterscheiden sich vom Charakter her deutlich. Manche haben ein besseres Gefühl fürs Testen und können mehr Informationen liefern. Andere verfolgen eine andere Arbeitsweise, aber wir haben über die Jahre gelernt, uns Feedback von einem Fahrer zu holen, der in einem Bereich besser ist und dieses von einem anderen bestätigen zu lassen – manchmal müssen wir die Informationen herauskitzeln und einen Durchschnitt des Feedbacks aller Fahrer bilden.“

Laia Sanz KTM 450 RALLY © Marcin Kin

Der ehemalige Rallye-Star Jordi Viladoms fungiert als Rally Team Manager. Das spanische Ass nimmt immer noch an einigen Langstrecken-Tests des KTM-Rallye-Teams teil und spult viele Kilometer auf einem Oval ab, um die Frontmaske und die Aerodynamik zu perfektionieren. Zusätzlich zu den Prüfstandstests, bei denen Motoren bis zum Motorschaden getestet werden können, um zu sehen, wo Verbesserungen möglich sind, werden Bikes weit über ihre beabsichtigte Lebensdauer hinaus oder so lange gefahren, bis sie tatsächlich kaputt gehen, um Schwachstellen zu eliminieren und Verbesserungspotential zu identifizieren.

„Letztes Jahr haben wir den Motor einem Langzeittest am Prüfstand unterzogen. Die Getriebe müssen im Feld getestet werden, da wir den Motor am Prüfstand immer nur in einem Gang betreiben können. Wir testen den Motor bis an seine Grenzen. Letztes Jahr haben wir tausende Kilometer in einem ausgetrockneten See abgespult, bei 50 Grad und mehr. Dafür sind die Werksfahrer zuständig. Das ist natürlich hart für die Fahrer und ich weiß, dass es ihnen keinen Spaß macht, so viel Zeit im Sattel und Stunde um Stunde am Motorrad zu verbringen. Für uns ist das aber wichtig, um das Bike bestmöglich auf die Dakar vorzubereiten.“

Jedes Jahr aufs neue ist der Druck, KTMs unglaubliche Siegesserie bei der Dakar fortzusetzen, wieder enorm, aber die Arbeit geht weiter und die Motivation ist hoch. In den Monaten zwischen jeder Dakar garantieren viele Stunden im Renn- und Testeinsatz, dass KTM seine Führungsposition bei der Rallye-Technik behält und gleichzeitig Siege in der FIM Cross-Country-Rallies-Weltmeisterschaft einfährt. Wir freuen uns auf die Dakar 2019!

Fotos: Future7Media | Marcin Kin | PhotosDakar.com