The BEAST! Teil eins von drei: Eine unabhängige Meinung …

Der erfahrene Motorradjournalist Roland Brown war einer der wenigen, die Ende letzten Jahres nach Doha fliegen durften, um dort im Stadtzentrum und unter dem Flutlicht des Losail International Circuits das BEAST 2.0 um die Kurven zu jagen. Wir fragten ihn nach seiner ehrlichen Meinung …

Der Schauplatz im unbarmherzig heißen Katar mutete etwas surreal an. Ich folge einer Gruppe bestehend aus fünf KTM 1290 SUPER DUKE Rs, die sich bis auf die Farbe gleichen wie ein Ei dem anderen. Wir machen die Straßen der Hauptstadt Doha unsicher und werfen das Ding in unzählige kleine Kreisverkehre, und schießen unter dem aus dem Endschalldämpfer dringenden Gebrüll des V-2-Motors wieder heraus.

Großvolumige Motorräder haben in der Innenstadt Dohas Seltenheitswert und das gilt erst recht für orange-weiß lackierte Monster, die mit einem aggressiven, geteilten Scheinwerfer und dem scharf ziselierten Bodywork riesenhaften Insekten ähneln. Ich fühle, wie das Adrenalin in meinen Adern pulsiert, und bin kurz davor, die legendäre und unvergleichliche Aggressivität der originalen KTM 1290 SUPER DUKE R im urbanen Umfeld wieder aufleben zu lassen.

Rutschiger Baustaub auf den Straßen der stetig expandierenden Metropole, ihre notorisch ungemütliche Polizei und die unberechenbaren Verkehrsteilnehmer halten mich aber davon ab. Trotz der vielen Gefahren und der sengenden Hitze ist es ein großartiges Erlebnis, zum ersten Mal die Straßen Katars zu erkunden, nachdem ich bereits öfters Motorräder auf dem Losail International Circuit getestet hatte. Auf einem Super-Naked Bike wie der KTM 1290 SUPER DUKE R, die brutalen Bumms mit guten Manieren auf der Straße und einer aufrechten Fahrposition für etwas willkommenen Fahrtwind kombiniert, macht das natürlich doppelt so viel Spaß.

KTM 1290 SUPER DUKE R Doha (QAT) 2016

KTM wollte die KTM 1290 SUPER DUKE R mit diesem Update noch sportlicher machen, um sie stärker von der letztes Jahr vorgestellten Sport-Touring-Maschine KTM 1290 SUPER DUKE GT abzugrenzen. Dank Optimierungsmaßnahmen dreht der 75-Grad-V-2 jetzt um 500 U/min höher und leistet nun 174 PS, 4 PS mehr als zuvor. Neue Resonatoren entlang der Zylinderköpfe verbessern das Ansprechverhalten im unteren Drehzahlbereich und reduzieren die Emissionen, während die überarbeitete Auspuffanlage den Euro-4-Grenzen entspricht. Auch beim Fahrwerk blieb man der Prämisse „härter und schneller“ treu.

All das versteckt sich im Inneren des Motorrads, doch bereits vor dem Aufsteigen wird klar, dass kein Weg am neuen Styling der KTM 1290 SUPER DUKE R, vor allem ihrem aufregenden, geteilten LED-Scheinwerfer vorbeiführt. Der Schlüsselanhänger in meiner Jackentasche machte das Herumdrehen eines Zündschlüssels überflüssig. Einfach den Taster rechts am Lenker gedrückt und schon erwacht das neue, farbenfrohe TFT-Display zum Leben. Mit dem typischen V-2-Bollern, das aus dem tief unten montierten, einzelnen Endschalldämpfer dringt, vermeldet dann auch der Motor seine Einsatzbereitschaft.

Wie gehabt stehen etliche Fahrmodi zur Auswahl, die man über Taster links am Lenker anwählt. Auf den Straßen von Doha beschränkte ich mich auf die Modi „Street“ und „Sport“. Der „Rain“-Modus, welcher die Gasannahme entschärft und die Leistung – wie zuvor – auf 100 PS beschränkt, kam aus offensichtlichen Gründen nicht zum Einsatz. Die beim Launch verfügbaren Bikes waren mit dem optionalen TRACK PACK ausgestattet, welches eine aggressivere Gasannahme sowie weitere Extras bietet. So etwa die Möglichkeiten, die Gasannahme in drei Stufen einzustellen oder den von der Traktionskontrolle zugelassenen Hinterradschlupf (in neun Stufen und sogar während der Fahrt) anzupassen.

KTM 1290 SUPER DUKE R Doha (QAT) 2016

Außerdem erlaubt das TRACK PACK dem Fahrer, den Anti-Wheelie-Modus völlig auszuschalten, ohne dabei auf die Traktionskontrolle verzichten zu müssen. Das Standard-Bike verfügt nicht über diese Funktion. Zusätzlich dazu enthält das Paket eine Launch-Control, mit dessen Hilfe man den Gasgriff voll herumdrehen kann, um schnelle Starts hinzulegen – blitzschnelles Wegfahren aus dem Stand ohne Wheelies garantiert.

Auf den Straßen von Doha war das nicht angebracht. Der extrem drehmomentstarke Motor und die cremige Gasannahme aber machten das Wuseln durch den Verkehr zu einer echten Freude. Fast unmittelbar ab Leerlaufdrehzahl dreht der großvolumige 75-Grad-V-2 beherzt und linear hoch, bis er seine Drehzahlgrenze knapp unter 10.000 U/min erreicht hat. Mit Hilfe des Quickshifter+, welcher das Rauf- und Runterschalten ohne Kupplungseinsatz ermöglicht und auf den wohl nur wenige Käufer der KTM 1290 SUPER DUKE R verzichten werden, schaltet man mühelos durch das butterweiche 6-Gang-Getriebe.

Auch das Fahrwerk des R-Modells wurde mühelos mit allen Herausforderungen des Straßenverkehrs in Katar fertig. Obwohl die KTM 1290 SUPER DUKE R in Reaktion auf die Euro-4-Grenzen einige Kilos zugelegt hat, bringt sie trocken doch nur schlanke 195 kg auf die Waage und war mit Leichtigkeit durch die endlosen Kreisverkehre zu dirigieren. Nicht zuletzt dank des für ein Sportmotorrad beachtlichen Federwegs von unveränderten 125 mm vorne und 156 mm hinten und der strafferen Federung, ist die Fahrposition etwas vorderradlastiger, aber nicht unkomfortabel.

Eines der herausragendsten Merkmale der KTM 1290 SUPER DUKE R ist die Tatsache, dass ihr unglaublicher Speed auf der Straße dank der Elektronik der Motorrad-Stabilitätskontrolle von einem ebenso hohen Niveau an Sicherheit begleitet wird. Deshalb wusste ich, dass ich, wenn nötig, mit aller Kraft in die Brembo-Eisen steigen oder den Gasgriff mitten in der Kurve voll herumdrehen könnte und die Elektronik das Bike immer stabil halten würde.

KTM 1290 SUPER DUKE R Doha (QAT) 2016

Natürlich kann ein unverkleidetes 174-PS-Sportmotorrad auf den Straßen Katars nicht wirklich zeigen, woraus es gemacht ist. Und so kam es gerade recht, dass ich am nächsten Tag wieder auf der KTM 1290 SUPER DUKE R saß. Allerdings lag ich dieses Mal flach auf dem Tank und schoss mit fast 260 Sachen die gut einen Kilometer lange Gerade des Losail International Circuit hinunter, während das Motorrad hartnäckig versuchte, mir den Kopf von den Schultern zu reißen.

Sein wunderbar drehmomentstarker und hochdrehender V-2-Motor beeindruckte auf der Strecke genauso sehr, wie er es auf der Straße getan hatte. Auf Abruf stellt er ab 5.000 U/min jede Menge gut kontrollierbaren Bumms zur Verfügung. Wie aggressiv dieser abgeliefert wird, kann im „Track“-Modus hervorragend eingestellt werden. Egal, wie energisch man ihn malträtiert, der Motor ist immer laufruhig und kommt – selbst im 6. Gang – so schnell auf Touren, dass ich mich einige Male dabei erwischte, wie ich versuchte, einen nicht vorhandenen 7. Gang einzulegen.

Auch in den größtenteils sanften, mittelschnellen Kurven der Rennstrecke machte die KTM 1290 SUPER DUKE R wahnsinnig viel Spaß und carvte mit beachtlicher Geschwindigkeit um jede Kehre. Ihr Stahlrohrrahmen ist extrem zugfest und steif, während die Qualität der Federung und des Lenkungsdämpfers von WP Suspension sowieso über jeden Zweifel erhaben ist, obwohl der großzügige Federweg größere und schwerere Fahrer (ich bin 1,93 m groß) beim Setup vor einige Herausforderungen stellen könnte.

KTM 1290 SUPER DUKE R Losail International Circuit (QAT) 2016

Für den Rennstreckentest waren die beim Launch verfügbaren Motorräder etwas härter eingestellt worden und vermittelten ein exzellentes Gefühl für das Vorderrad, ließen sich präzise lenken und kontrollieren. Das Federbein war für meinen Geschmack allerdings viel zu weich eingestellt worden, was dazu führte, dass das Bike beim Beschleunigen hinten in die Knie ging, in den Kurven etwas zu weit nach außen geriet und auf der Geraden unruhig wurde. Mehr Vorspannung und eine härtere Einstellung der Low-Speed-Druckstufe und Zugstufendämpfung schärften die Lenkung und kurierten die Unruhe auf der Geraden.

Nach und nach gewöhnte ich mich an das Bike und die Strecke (das Flutlicht machte die Kraft des neuen LED-Scheinwerfers fast überflüssig) und genoss es, die verschiedenen Einstellungen für die Gasannahme und Traktionskontrolle auszuprobieren – ein Leichtes dank seiner unerschöpflich scheinenden Bodenfreiheit und des extremen Grips der Metzeler-Bereifung. Auch die Brembo-Bremsen verrichteten ihre Aufgabe mit Bravour und holten die Fuhre beim Anbremsen der ersten Rechtskurve nach der Geraden zuverlässig von seiner Höchstgeschwindigkeit herunter. Das ABS hielt sich dabei angenehm zurück. Dennoch hatte ich nicht den Mumm, es mitten in der Kurve auszutesten.

Die überarbeitete KTM 1290 SUPER DUKE R macht dich also zu einem besseren Fahrer, ist buchstäblich READY TO RACE, sowie bereit, mit einer Extraportion Aggressivität und V-2-Performance das Feld der Straßenmotorräder aufzumischen. Dieses Motorrad, das KTM „BEAST 2.0“ nennt, ist dezent schneller und präziser als sein ohnehin schon furchteinflößender Vorgänger, gewinnt aber an Sportlichkeit und Schliff, ohne ihre beliebten Attribute wie Kultiviertheit und Alltagstauglichkeit zu verlieren.

KTM 1290 SUPER DUKE R Losail International Circuit (QAT) 2016

Nächste Woche folgt Teil 2 der Reihe „The BEAST” mit den Meinungen der Profis!

Fotos: KTM