Von den (gut gehüteten) Geheimnissen eines jugendlichen Blitzstarters

Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass Jorge Prado der überragende Starter der FIM-Motocross-Weltmeisterschaft ist. Dank seiner vierzehn Holeshot-Erfolge in bislang vierunddreißig Rennen sieht es ganz so aus, als ob der sechzehnjährige Spanier bereits in seiner ersten Grand-Prix-Saison auf der Werks-KTM 250 SX-F den begehrten Fox Holeshot Award mit nach Hause nehmen wird … wir wollten herausfinden, wie er das anstellt.

Jorge Prado (ESP) Valkenswaard (NED) 2017

Als wir uns mit Jorge hinsetzen, will er zuerst gar nicht so richtig von seinen Starts erzählen. Immer ein Lächeln auf den Lippen, immer gut aufgelegt, technisch extrem versiert und blitzschnell auf dem Motorrad: Prado ist sicher eines der größten Talente im Grand-Prix-Motocross-Sport, seit Herlings, Musquin und Roczen im letzten Jahrzehnt für Furore sorgten. Außerdem ist er etwas zurückhaltend. Seine Starts auf der Red Bull KTM in seiner ersten MX2-Saison konnten nur mit dem Wort „unglaublich“ beschrieben werden. Jorge musste nach einigen ‚Hochs‘ wie seinem ersten GP-Sieg beim fünften Lauf in Italien einige ‚Tiefs‘ wie einen Hitzekollaps einstecken und lernen, wie hart zwei GP-Läufe von 30 Minuten plus 2 Runden sind. Trotzdem führte er das MX2-Feld Woche für Woche in die erste Kurve.

Die Saison 2017 ist vielleicht Prados erste auf höchstem Niveau, erst seine zweite auf einem 250-ccm-Motorrad und jene mit dem längsten Kalender seiner noch jungen Karriere (er geht schließlich noch zur Schule), mit seinen brutalen Starts scheint er aber bereits eines der wichtigsten Geheimnisse zum Erfolg gelüftet zu haben. Außerdem lässt er sich nicht gerne in die Karten schauen.

Jorge Prado (ESP) KTM 250 SX-F Kegums (LAT) 2017

Wir vom KTM BLOG schrecken aber nie vor einer Herausforderung zurück und überreden den freundlichen und offenen Jorge dazu, mit uns über seine wertvolle Fähigkeit zu sprechen. Ein bisschen zumindest …

Frei raus: Wie zum Teufel stellst du es an?
„Ha! Es geht einfach um die richtige Mischung aus Kupplung, Gas und Körperhaltung. Wenn alles gut zusammenspielt, gelingt ein guter Start. Es ist schwer zu erklären.“

Geht das nur bei der KTM mit ihrer Power oder könntest du auf jedem Bike solche Starts hinlegen?
„Ja. Warum nicht? Ein guter Start ist ein guter Start. Ich trainiere nie Starts.“

Tatsächlich?!
„Nicht einmal während des Start-Trainings bei den GPs.“

Also nehmt ihr keine Änderungen an der Motorpower vor?
„Nein, wir verändern den Motor kaum und spielen nicht mit der Power herum.“

Pauls Jonass (LAT, #41) & Jorge Prado (ESP, #61) KTM 250 SX-F Kegums (LAT) 2017

In welchem Gang startest du?
„Eigentlich startet jeder Fahrer im zweiten Gang. In Mexiko bin ich wegen der Seehöhe im ersten Gang gestartet, was aber nicht so gut funktioniert hat, da ich mit der Europa-Abstufung angetreten bin und ich nicht wusste, dass wir sie für die dortigen Bedingungen hätten ändern müssen. Andere Jungs mit mehr Erfahrung – wie Pauls [Jonass] – haben das getan. Mein Bike war dort etwas zu langsam für mich.“

Wie gut wurde dein Bike mit dem in der MXGP-Saison 2017 neuen Metallboden in den Startgattern fertig?
„Gut. Der Unterschied zwischen den einzelnen Fahrern ist nun minimal. Was das Ganze natürlich etwas schwieriger macht. Vorher hast du das richtige Gefühl für die Erde gebraucht, je nachdem ob sie hart, sandig oder schlammig war. Mit dem neuen ‚System‘ spielt das keine Rolle mehr.“

Jorge Prado (ESP) KTM 250 SX-F Kegums (LAT) 2017

Was sind die entscheidenden Faktoren beim Start?
„Meiner Meinung nach brauchst du Selbstvertrauen, eine gewisse Einstellung und viel Konzentration. Ich will in der ersten Kurve unbedingt vorne sein. Der Start geht bei mir automatisch. Ich muss nicht groß nachdenken. Ich fahre ans Gatter, prüfe nochmal meine Handschuhe und das war‘s schon.“

30 andere Fahrer versuchen, genau das Gleiche zu tun …
„Ich kann es wirklich nicht erklären. Ich weiß einfach instinktiv, wie es geht, und meine kleinen Tricks gebe ich sicher nicht preis! Meine Starts gehören zu meinem größten Kapital.“

Jorge Prado (ESP, #61) & Pauls Jonass (LAT, #41) KTM 250 SX-F Kegums (LAT) 2017

Außer deinen Handschuhen checkst du also nichts? Du hast keine Konzentrations-Routine?
„Hmmm, ich prüfe meine Handschuhe und ob das Bike gerade steht, dann meine Brille und ob die Abreißfolien am richtigen Platz sind.“

Kannst du uns einen kleinen Trick verraten?
„Schalten. Du musst genau wissen, wann du hochschalten solltest, dann gelingt dir auch der Start.“

Mit diesem Tipp verlässt uns Jorge. Er muss seine Brille vorbereiten und sich auf das Training zum Großen Preis von Frankreich konzentrieren. Mit seinem Arsenal an Tricks hat der Junge 2017 definitiv ‚einen Gang höher geschaltet‘ und wird früher oder später garantiert ein Titel-Herausforderer werden.

Jorge Prados KTM 250 SX-F Malagrotta (ITA) 2017

Fotos: KTM