Wie der Vater, so der Sohn: Malcolm & Alexander Smith

Gleich neben dem Freeway 91 in Riverside findet sich der imposante Laden, der auf zwei Etagen und über 70.000 Quadratmetern Verkaufsfläche einige hundert Motorräder diverser Marken und dazu jede Menge Zubehör und Teile anbietet. Eine ganze Abteilung ist den Maschinen von KTM vorbehalten, in der praktisch die gesamte Modellpalette ausgestellt ist. Die Treppe hoch findet sich das Büro des inzwischen 73-jährigen Malcolm Smith. Die Offroad-Legende hat praktisch alle namhaften Offroad-Events mehrfach gewonnen, inklusive der Baja. Dazu hat er etliche Medaillen bei Sixdays-Wettbewerben abgesahnt. Und, nicht zu vergessen, beim legendären Film „On any Sunday” mit Steve McQueen mitgewirkt. Das Smith-Office ist vollgestopft mit Fotos und Andenken seiner Sportkarriere. Im Erdgeschoss wuselt Alexander Smith, der 28-jährige Sohn, als Leiter der Service-Abteilung in der Werkstatt herum. Unübersehbar: Auf seinem schwarzen T-Shirt prangt in stolzen Lettern ‘Malcolm Smith Motorsports’.

Der Laden läuft blendend, wozu die jahrelangen Sporterfolge des Seniors sicher beigetragen haben. Inzwischen macht auch Alexander Smith durch Offroad-Erfolge vermehrt auf sich aufmerksam, auch wenn er diesen Sport nicht in aller Konsequenz als Profi ausübt. Im November erst bestritt er erfolgreich das Baja 1000, jenes prestigereiche Offroad-Rennen auf der niederkalifornischen Halbinsel Mexikos, das Dad Malcolm nicht weniger als sechs Mal gewonnen hat.

Als Händler importierte Smith-Senior in den 60er Jahren Husqvarna-Motorräder in die USA und bestritt damit auch Wettbewerbe. Erst in den 80er Jahren stieg er voller Überzeugung auf KTM um. Bis ins heutige Alter hält er begeistert am Motorradfahren fest, auch wenn er momentan wegen einer Rücken-OP pausiert. „Derzeit habe ich eine 250er Zweitakt-KTM”, verrät er. „Husqvarna habe ich den Rücken gekehrt, als die Marke 1987 nach Italien verkauft wurde und diese merkwürdigen, nicht-schwedischen Design brachte. Ich habe dann zu KTM gewechselt, dabei ist es geblieben. Als Sportfahrer habe ich nur wenige Marken bewegt. Zuerst eine Greeves – das war ein Rollstuhlfabrikant, der zweirädrige Rasenmäher herstellte und sie Motorrad nannte – jedenfalls war Greeves mein erster richtiger Sponsor. Danach habe ich Huskys eingesetzt, und anschließend KTM´s. Das war´s dann auch schon.”

„Motorrädern von damals und heute unterscheiden sich wie Tag und Nacht”, fährt Malcolm fort. „Die Bikes damals wiesen nur wenige Zentimeter Federweg auf. Leistung gab´s jede Menge, aber nur im oberen Bereich. Die Kupplung funktionierten nicht wirklich toll. Heutzutage wird man richtig verwöhnt. Die Bikes wiegen kaum mehr als 100 Kilo, haben Elektrostarter und Sechsgangtriebe. Alles funktioniert, nichts geht kaputt. Zu meiner Zeit war Zuverlässigkeit ein Fremdwort, weniger als die Hälfte des Feldes erreichte bei Enduros-Events überhaupt das Ziel.”

„Zu verfolgen, wie sich KTM inzwischen entwickelt hat, ist unglaublich. Vom Bankrott zum Boom. Da sind verdammt gute Leute am Werk. Ich weiß noch, wie ich damals nach dem Neustart dachte, dass sich KTM nie erholen würde. Und heute? Was sie auch anpacken, endet erfolgreich.”


Smith’s Enthusiasmus für KTM hat offensichtlich auf Alexander abgefärbt. „In meinen Adern fließt oranges Blut”, gesteht der Junior freimütig. „Mir gefällt KTM am besten, zusammen mit unserer Eigenmarke MSR [Malcolm Smith Racing], die wir in unserem Laden vertreiben. Ich bin damit aufgewachsen. Ich habe nie ernsthaft eine andere Marke gefahren oder damit Wettbewerbe bestritten. Mein Dad ist für KTM angetreten, also kam nie etwas anderes in Frage. Wir waren vom ersten Tag an KTM Händler und sind außerdem der älteste in Amerika. Unsere geschäftlichen Beziehungen zu KTM USA und zum Werk in Österreich waren immer eng.  Das hat natürlich geholfen. Außerdem dachte ich immer, dass es coole Bikes sein müssen, wenn sogar mein Vater darauf abfährt. Meine erste KTM war ein 200er Zweitakter. Ich hatte immer Zweitakt-Bikes, bis ich vor drei, vier Jahren auf Viertakter umgestiegen bin, um durchs Gelände zu fahren.”

Und damit sind wir beim Thema: Fahren
Alexander begann während der Schulzeit im Motorradgeschäft auszuhelfen. Seit dem College-Abschluss arbeitet er hauptberuflich mit. Fünf Jahre hat er bereits als Service-Manager absolviert. Nun bereitet er sich darauf vor, einmal das Geschäft zu übernehmen, was die Einarbeitung in alle Geschäftsbereiche erfordert. („Die nächsten Monate werde ich ein wissbegieriger und sehr fleißiger Praktikant sein”). Wie man bei Offroad-Wettbewerben erfolgreich abschneidet, hat sich Alex Smith bereits erfolgreich angeeignet. Niemand wäre überrascht, wenn er diesen Sport auch professionell ausüben würde, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Dies ist jedoch nicht der Fall. „Bislang habe ich darauf keinen gesteigerten Wert gelegt”, sagt Alexander. „Offroad-Racing und Motorradfahren war für mich immer eine Ergänzung zum Alltagsleben. Etwas, dem ich mich in meiner Freizeit widmen konnte, wenn mir danach war. Auf eine Profi-Karriere war ich nie scharf.”

Hast du nie von einer Karriere als Offroad-Rennfahrer geträumt? 
„Nein. Ich wollte Motorradrennen bestreiten, seit ich ein kleiner Junge war. Aber nicht als Profi, das war eigentlich immer klar. In jungen Jahren haben mich Bikes gar nicht so sehr begeistert. Erst mit 14 Jahren habe ich das Fahren angefangen; und auch erst, als ich mein eigenes Bike hatte. Vorher habe ich irgendwelche Maschinen von Freunden geliehen. Zweiräder wurden für mich erst später wichtig.”

Warum war das so?
„Mein Vater hat mich nie dazu angehalten, auf Motorräder zu steigen. Diese gehörten zwar bei uns zum Alltag, außerdem war ich oft auf Wettbewerben mit, aber richtig fasziniert haben mich Bikes nie. Das passierte erst später, als ich älter wurde. Irgendwann sagte ich, dass ich mir ein Motorrad wünsche. Also habe ich eins bekommen. Ich war vorher nicht so weit; vielleicht auch, weil mein Vater mich nie dazu gedrängt hat.”

Das überrascht dann doch. Vor allem mit einem Kaliber wie Malcolm Smith in der Familie. „Alex ist aber längst ein sehr guter Fahrer”, stellt das Familienoberhaupt nicht ohne Stolz fest. „Sein Fahrstil ist rund und sehr gefühlvoll. Es ist zwar nicht so einfach, ihm zuzuschauen, wenn man selber im Sattel sitzt und mit dem Fahren beschäftigt ist, aber was ich sehe, ist beeindruckend. Wie er das Motorrad in kniffligen Situationen kontrolliert, auch beim Sliden oder wenn er in den Rasten steht. Er macht das gut. Hätte er sein Talent bereits früher unter Beweis gestellt, wer weiß, wohin es geführt hätte.”

„Aber eigentlich bin ich ganz froh, dass es sich so entwickelt hat”, fährt Malcolm weiter fort. „Ich will sicher nicht, dass Alex ernsthaft mit der Rennerei anfängt. Er fährt gerne und hat sich jetzt bei der Baja prima aus der Affäre gezogen. Das Bike hat er selbst präpariert, die Crew bei den Tankstops bestand aus ein paar Freunden. Er ist 27 Stunden im Sattel gesessen, abgesehen von den vier Minuten, die ein Reifenwechsel in Anspruch genommen hat.”

Gegenfrage: Was spricht dagegen, dass Alex wirklich ernsthaft Rennen fährt?
„Die Gefahr. Am liebsten hätte ich ihn von der Baja-Teilnahme abgehalten, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie oft es zu gefährlichen Situationen kommt, die zu überstehen einfach Glück erfordert. Aber er selbst wollte unbedingt mitfahren. Als das klar war, habe ich ihn natürlich unterstützt.”

Wäre es leichter oder schwieriger, wenn Alex als Sohn von Malcolm Smith als professioneller Offroad-Pilot sein Glück versuchen würde?
„Vermutlich eher härter, weil er mehr Aufmerksamkeit bekäme und ständig Vergleiche gezogen würden. Obwohl er bereits heute sicher ein besserer Fahrer ist, als ich zu meiner aktiven Zeit.”

Tatsächlich?
„Ja, weil der Sport ständig Fortschritte macht. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten, die Technik macht Fortschritte und auch die Fahrer werden ständig besser und schneller. Das ist normal, in allen sportlichen Bereichen. Sogar bei Olympia bewegt sich alles vorwärts. Alle Wettbewerbe werden härter und die Leistungen besser.”

Ein junger Malcolm Smith hätte sich sicherlich auch weiter entwickelt …
„Vielleicht, ja. Ich ging immer sehr entschlossen zu Werke. Ich war nett und umgänglich mit allen. Aber wenn die Startflagge fiel, war ich nurmehr Egoist. Wenn vor mir einer in Schwierigkeiten steckte, kannte ich kein Pardon. Steckte die Maschine eines Konkurrenten im Schlammloch fest, fuhr ich einfach drüber und nutzte die zusätzliche Traktion zu meinen Gunsten. Ich wollte immer gewinnen, um jeden Preis.”

Hat Alex solche grenzwertigen Situationen als Kind mitbekommen?
„Kann schon sein. Ich weiß es nicht. Einmal habe ich in Japan auf Hokkaido, die Verhältnisse dort sind ähnlich wie in Neuengland,  auf einer KTM an einer Viertagesfahrt teilgenommen. Der Importeur hatte mich eingeladen und die Spesen übernommen. Ich war bereits etwas über 50 Jahre alt. Dann hat mich eine lokale TV-Station interviewt. Ich sagte, dass ich wohl der älteste Fahrer im Feld sei, der das Rennen beenden würde, falls möglich. Dann aber habe ich gewonnen. Weil die Japaner so höflich sind. Wenn es an Steigungen zu Staus kam und alle anhielten und warteten, bis es weiter ging, bin ich einfach volle Kanne durch und über alles hinweggefahren. Ich bin jedenfalls ganz froh, dass Alex keine Karriere als Rennprofi angestrebt hat. Man muss dafür schon sehr hart gegen sich selbst sein und auch etliche Risiken einzugehen bereit sein.”

Vermutlich haben sich auch deine Eltern um ihren Rennfahrersohn gesorgt. Ist das heute nachvollziehbar, wenn Du zusammen mit Alex an den Start eines Wettbewerbs gehst?
„Ich denke schon, doch. Aber meine Mutter war nie bei einem Rennen. Sie hat mich nie fahren sehen. Sie wollte es auch nie offen ansprechen, was ihr Sohn da treibt. Sie war Lehrerin, feingeistig und immer hübsch gekleidet. Als der Film ‘On Any Sunday’ heraus kam, hatte sie plötzlich einen rennfahrenden Sohn, der querfeldein durch Kraut und Rüben knatterte. Mein Vater starb, als ich 19 Jahre alt war. Er war damals bereits 99 Jahre alt. Meine Mutter heiratete erneut. Mein Stiefvater Ray hat mich aber gefördert und unterstützt. Er begleitete mich zu den Baja 1000-Events. Er hat mir auch finanziell geholfen, als ich mein Geschäft gründete. Das Geld, dass er mir leihweise gab, musste ich aber mit Zinsen zurückzahlen; und wenn die Raten zu spät kamen, musste ich Strafe blechen. Einmal habe ich ihn gefragt: „Ray, warum hast du nicht manchmal etwas Mitleid mit mir?“ Seine Antwort: „Damit du lernst, wie hart es im Leben zugeht.“ Das war eine gute Schule.”

Die Baja 1000 bleibt eine besondere Offroad-Veranstaltung, nicht nur für das Smith-Familienduo, auch wenn das Geschehen um Kurt Caselli dieses Jahr alles überschattete. Das Unglück unterstreicht die grimmigen Gedanken, die Malcolm Smith angesichts der Rennteilnahme seines Sohnes durch den Kopf gingen. „Ich habe die Nächte vorher nicht gut geschlafen. Mir gingen die zahlreichen Beinahe-Unfälle, die ich selbst erlebt hatte, nicht aus dem Sinn”, schildert Malcolm mit besorgter Miene. „Gefährliche Situationen werden durch Autos verursacht, die einem in die Quere kommen, oder durch Tiere, die plötzlich hinter Felsen oder Büschen hervorspringen. Manchmal versperrt auch eine Kuh den Weg, wenn man mit 100 Sachen durch die Nacht braust. Beim Ausweichen nimmst dann einen Kaktus mit, oder was sonst gerade im Weg steht. Eigentlich hält man die ganze Zeit die Luft an, weil überall Schwierigkeiten lauern. Als ich meine erste Baja 1000 fuhr, übergab ich das Bike bei Rennhälfte an den zweiten Fahrer und gönnte mir im Schlafsack eine Ruhepause. Ich machte aber kein Auge zu, weil die bedrohlichen Situationen im Kopf herumspukten. Ein Alptraum jagte den nächsten. Drei- oder viermal konnte ich Kollisionen mit Autos nur mit Mühe und Not vermeiden.”

„Ich habe mir Sorgen um Alexander gemacht”, fährt der Senior fort. „Also habe ich ihm vor dem Rennen eine Message geschickt, ziemlich lang, über alles, was er zu tun und zu lassen hätte. Unterschrieben habe ich mit ‘Ride smart, love Dad’. Ich weiß zwar, dass er im Sattel viel besser agiert als ich es je zustande gebracht habe. Dazu ist er vorsichtiger unterwegs. Ich agierte immer nach dem Alles-oder Nichts-Prinzip. Ich dachte nur an den Sieg.  Alex kalkuliert eher, wägt das Risiko ab. Trotzdem, wenn sogar einem Caselli so ein Unfall zustößt, muss man mit allem rechnen. Man weiß nie, was passieren kann, egal wie gut jemand ist. Unfälle können jeden treffen. Speziell bei so einer Veranstaltung wie der Baja, die so lang und schwierig ist und voller Überraschungen steckt.”

„Die Baja letztes Jahr war in jeder Hinsicht extrem”, nimmt Alex den Faden auf. „Ich habe erst am Tag danach von Caselli erfahren. Die Rally war trickreich und schwierig wie erwartet: hart, anspruchsvoll, anstrengend. Ich war echt fertig hinterher. Bei Rennmitte hatte ich schon keine Lust mehr! Aber wenn man dann kaputt und erschöpft das Ziel erreicht, ist das Gefühl, es geschafft zu haben, natürlich großartig. Am nächsten Tag wachte ich mit diesem ziemlich surrealen Gefühl auf, gewonnen zu haben. Ich dachte, ich träume. Und dann erzählte mir das Team, was Kurt Caselli zugestoßen war. Ich fiel von einem Extrem ins andere. Es war brutal hart.”

Wie geht es nun mit Alexander Smith weiter? Der sportliche Erfolg hat zu viel Anerkennung geführt. Ist der Offroadsport vielleicht doch eine Fulltime-Alternative?
„Ein Rennen wie das Baja zu gewinnen löst natürlich auch Reaktionen in der Motorradszene aus. Weil das etwas Besonderes ist. Gleichzeitig wissen die meisten Leute hier und bei KTM, dass ich nicht zum Lebensunterhalt Motorradfahren will.”

Also bleibt es beim begabten, schnellen Freizeit-Offroadrennfahrer?
„Exakt. Ich bin nicht auf der Suche nach einem Profi-Vertrag oder dergleichen.”

Ab und zu ein paar besondere Motorräder fahren vielleicht…
„Genau. Wenn bei KTM mal zufällig eine 450 RALLY Maschine übrig ist. Irgendwann einmal bei der Dakar-Rally mitfahren, das könnte mir gefallen.”

„Irgendwann wird Alex die Dakar fahren”, sagt Malcolm Smith. „In Glen Helen beim 24 Stunden Event hat er auch mehrere Male teilgenommen, bevor er gewonnen hat. Ich hoffe nur, dass KTM ihn nicht gleich ins Rally-Werksteam beruft. Den Speed, den man man gehen muss, um siegfähig zu sein, ist für meinen Geschmack mit zuviel Risiko verbunden. Das ist grenzwertig. Ohne den notwendigen Speed hat das Team keine Chance auf den Sieg. Aber das will ja auch niemand.”

Zunächst also wird Alexander Smith sich wie gehabt auf das Motorradgeschäft und seine künftige Entwicklung als Geschäftsmann konzentrieren. Als die Sonne in Riverside langsam untergeht und sich die Strahlen in der blitzenden Fassadenfläche spiegeln, drängt sich ohnehin der Eindruck auf, als Motorradhändler einen absoluten Traumberuf ausüben zu können. „Ja, unser Geschäft  ist schon ein echtes Schmuckstück”, grinst Alexander Smith breit. „Außerdem halten wir stets eine beachtliche Zahl Vorführ-Motorräder bereit. Die Konditionen für Probefahrten sind zwar recht strikt, selbstverständlich auch für mich, dennoch habe ich bereits eine stattliche Zahl Testrides hinter mir. Motorradfahren macht mir halt einen Riesenspaß. Neulich erst habe ich die neue Husqvarna TC125 ausprobieren dürfen. Kurz zwar nur, aber ich hatte viel Freude dabei. Mal abwarten. Wenn mir ein Grund einfällt, mich selbst zu belohnen, steht vielleicht schon bald genau dieses Teil neu in meiner Garage.”

Fotos: © Ray Archer