WIE MAN EIN BIKE MIT 200.000 KM WIEDER FIT FÜR EINE REISE UM DEN GLOBUS MACHT

Von den endlosen Geraden des australischen Outbacks bis zu den Salzwüsten von Bolivien und zurück nach Europa: Meine KTM 1190 ADVENTURE und ich haben in fünf Jahren viel erlebt. Nach fast 200.000 km war es Zeit für eine Generalüberholung …

Am Eingang zum schönsten Nationalpark Boliviens, Eduardo Avaroa, wegen seiner herrlichen farbigen Lagune auch Lagunas Coloradas genannt. 500 km Stille, auf 4500m Höhe
PC @PaoloCattaneo

Soweit ich zurückdenken kann, war es immer mein Traum gewesen, die Welt zu bereisen. Die Entscheidung, Länder und Kontinente auf meinem Motorrad zu durchqueren, traf ich zu einem Zeitpunkt in meinem Leben, an dem ich beruflich und privat zufrieden war, aber dennoch etwas vermisste.

Im Jahr 2015 beschloss ich dann, diesen Schritt zu wagen, und schwang mich auf meine KTM 1190 ADVENTURE, die ich – nach der australischen Kleinstadt, in der ich damals lebte – Bronte nannte. Ich hatte keinen fixen Plan, wann ich nach Hause zurückkehren würde. Seitdem habe ich mit meinem Bike einige unvergessliche Sachen erlebt.

Unser allererstes gemeinsames Abenteuer – die Umrundung von Australien. Die Überquerung eines Flusses, in dem sich Salzwasserkrokodile tummelten, gab mir einen zusätzlichen Ansporn, das Motorrad nicht umzuwerfen
PC @PaoloCattaneo

Anfangs runzelten meine Bekannten die Stirn, als sie hörten, dass ich auf so einem leistungsstarken Bike mit so vielen elektronischen Helferlein solch lange Distanzen zurücklegen wollte. Ich aber bin froh, dass ich mich auf dieser Reise auf ein so starkes und zuverlässiges Bike verlassen konnte. So viel Power hat schon seine Vorteile! Selbst nach fast 200.000 km zeigte mein geliebter ‚Bronte‘ keinerlei Ermüdungserscheinungen. In gewisser Weise bin ich sogar froh, dass ich die Zweifler Lügen gestraft habe.

Erinnerungen aus fünf Jahren

Zusammen mit Bronte durchquerte ich die größte und höchstgelegene Salzwüste Boliviens, folgte den goldenen Stränden Brasiliens und den eisigen Straßen Alaskas sowie den felsigen Wegen Patagoniens. Ich fuhr kreuz und quer durch Australien und seine Wüsten, während einer der bittersten Winter des Jahrzehnts auf der berühmten Route 66 durch die USA und durchquerte bei 46 Grad Mittelamerika. Fünf lange Jahre verbrachte ich im Sattel und Bronte hat mich in der ganzen Zeit nicht einmal im Stich gelassen. Ich hatte auf der ganzen Strecke nicht eine einzige Panne!

Das Erreichen von Ushuaia, dem südlichsten Punkt Südamerikas, war ein ziemlicher Kraftakt. Es war 2 °C warm und Bronte und ich waren von der 500 km langen Fahrt mit Schlamm bedeckt. Auf einem Motorrad zu reisen bedeutet vor allem, gegen die Elemente zu kämpfen
PC @PaoloCattaneo

Während meiner Reise lernte ich mein Bike optimal fit zu halten und das bedeutete, dass ich es bei autorisierten KTM-Händlern warten ließ – davon gibt es in jeder großen Stadt der Welt mindestens einen. Es ist wichtig, das Öl alle 7.000 bis 15.000 km zu wechseln und das Bike durchzuchecken, um eventuellen Wartungsbedarf identifizieren zu können.

Als gelernter Computeringenieur halte ich mein Bike immer blitzsauber und in perfektem Zustand. Als ich es in Sydney erstand, empfahl mir mein KTM-Händler, den Luftfilter zu tauschen. Ich baute einen 3-stufigen Schaumstofffilter ein und überprüfte und wartete diesen regelmäßig.

In fünf Jahren auf der Straße führte mich mein Weg auch zum Geburtsort von KTM im österreichischen Mattighofen, wo das KTM-Werkstattteam die Herausforderung annahm, Bronte komplett neu aufzubereiten und ihn auf eine weitere Fahrt um die Welt vorzubereiten.

Nichts ist so faszinierend (und eiskalt) wie Patagonien im Herbst. Bronte und ich starren auf den atemberaubenden Cerro Torre, während wir selber auf der berühmten Carretera Austral in Chile fahren
PC @PaoloCattaneo

Wieder zuhause

Meine KTM 1190 ADVENTURE wurde von den Mechanikern der österreichischen Werkstatt mit viel Neugierde empfangen. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass sie eine Maschine unter die Lupe nehmen können, die eine solche Tortur durchgestanden hat. Zuerst schoben sie das Bike auf den Teststand, um einen Performance-Test durchzuführen. Das Ergebnis war überraschend. Das Motorrad produzierte immer noch 136 PS am Hinterrad, was beinahe der Leistung eines brandneuen Bikes entspricht.

Auf meinen Reisen so viel Power zu haben, war ein gewaltiger Vorteil. Ich genoss jede Minute und hatte nie das Gefühl, dass es dem Motorrad an Leistung fehlte. Selbst mit voller Beladung im Hochgebirge von Peru 5.000 m über dem Meeresspiegel und auf den langen und einsamen Straßen der Ruta 40 in Argentinien ging Bronte nie die Puste aus.

Von Schneestürmen erwischt zu werden, war in Nordamerika keine Seltenheit. Hier war ich am letzten Tag der ADV-Rallye in Vernon BC, Kanada, dabei.
PC @PaoloCattaneo

Wenn der Motor und die Federung nicht dafür gemacht sind, können solche Distanzen mit voller Beladung das Fahrerlebnis durchaus negativ beeinflussen. Mit Bronte hatte ich immer das Gefühl, über den Dingen zu stehen. Die WP-Federung vorn und hinten mit elektronischem Dämpfungssystem ist immer noch im Serienzustand. Die Gabeldichtringe und das Gabelöl wurden zweimal – bei 30.000 und 150.000 km – getauscht und mussten nun dringend wieder gewechselt werden. Nachdem die Jungs der KTM-Werkstatt alle Dichtgummis, Lager und das Öl getauscht hatten, fühlte sich die Federung wieder wie neu an.

Expertenmeinung

Außerdem bekam ich die Chance, mit KTMs Cheftechniker Clemens Maschler zu plaudern, der das Service durchgeführt und das Bike danach getestet hatte. Er bestätigte, dass er Kolben, Ventile, Zylinder und Getriebe nach dem Öffnen des Motors in einwandfreiem Zustand vorfand. Selbst der Kupplungskorb und die Kupplungslamellen, die nie getauscht oder gewartet wurden, waren laut Clemens in optimalem Zustand.

KTM Techniker Clemens Maschler, der sich nicht fotografieren lassen wollte, baute Bronte von Grund auf neu auf, Schraube für Schraube
PC @PaoloCattaneo

Das Ventilspiel musste leicht angepasst werden, aber dennoch konnte er kaum glauben, dass das Bike fast 200.000 km abgespult hatte. Bronte wurde komplett zerlegt, geprüft und mit äußerster Sorgfalt und Vorsicht wieder zusammengebaut. Die Maschine wurde dann noch einmal auf den Teststand gerollt, um die Performance vergleichen zu können. Wie erwartet lieferte der Motor – genau wie beim ersten Test – 136 PS am Hinterrad ab und bestätigte damit, dass er schon vor dem Zerlegen in optimalem Zustand gewesen war.

Während sie an meinem Bike arbeiteten, waren die KTM-Mechaniker überrascht zu hören, dass es immer noch die Original-Batterie besaß. Selbst für mich ist es unglaublich, dass eine Batterie so lange hält – besonders in Anbetracht der extremen Wetterbedingungen, denen sie ausgesetzt war. Trotzdem benötigte Bronte dringend eine neue Batterie und den damit einhergehenden Extra-Bumms zum täglichen Start in den Tag.

Brontes zerlegter Motor. Clemens hat bei der Reinigung und dem Austausch aller Lager besondere Sorgfalt walten lassen. Links die originalen Ventile und das Getriebe, die noch in optimalem Zustand waren
PC @PaoloCattaneo

Ein Paar neue Reifen und neue Vorderrad-Bremsscheiben und -beläge wurden ebenfalls installiert. Aus Sicherheitsgründen entschlossen wir uns, die Gabelschaftlager und die Radlager rundum zu tauschen, da es schwierig ist, ihren tatsächlichen Zustand zu beurteilen – außerdem kosten diese Teile bei KTM nicht viel.

Obwohl Luft- und Kraftstofffilter in gutem Zustand waren, wurden auch sie getauscht, um dem Bike zu einem frischen Start zu verhelfen. Die Kraftstoffpumpe und die Wasserpumpe waren laut den KTM-Technikern voll funktionstauglich und mussten deshalb nicht getauscht werden. Auch bei diesen handelt es sich noch um die Original-Teile!

Neues Leben

Als ich Bronte nach dem Neuaufbau zum ersten Mal wieder zu Gesicht bekam, hatten die Jungs bei KTM eine Überraschung für mich. Sie hatten das Bike mit einer schicken, orangefarbenen Decke verhüllt und ich war echt gespannt darauf, zu sehen, wie stark sie das Bike wohl verändert hatten. Die Enthüllung war dann ein sehr emotionaler Moment für mich. Es ist wohl unnötig, zu erwähnen, dass ich mit Brontes Verjüngungskur sehr zufrieden war.

Brasilien war heiß, salzig und sandig. Bronte und ich bekamen unseren Anteil an kühlen Momenten am Strand. Maragogi, AL Brasilien
PC @PaoloCattaneo

Sie glänzte und brummte wieder genau wie an unserem ersten Tag in Australien und so unternahm ich eine Spritztour auf den Straßen rund um Mattighofen. In 5 Jahren gemeinsamen Reisens habe ich auf jeden Fall eine besondere Bindung zu meinem Motorrad entwickelt. Es war mir jederzeit ein treuer Begleiter und wurde mit der Zeit ein Teil meines Abenteuers. Mit ihm konnte ich meinen Traum, die Welt zu bereisen und wieder gesund nach Hause zu kommen, verwirklichen.

Ich bin überglücklich, dass Bronte jetzt wieder topfit und bereit ist, auf Kommando um die ganze Welt zu fahren …