Fiktion: Der goldene Kürbis

Die Mission war streng geheim. „Niemand darf davon Wind bekommen”, keuchte der Boss mit flackerndem Blick.

„Keine Seele auch nur etwas ahnen. Sonst …” Er legte den Kopf schief und führte den Daumen wie ein Messer quer über die Kehle, theatralisch langsam. Ich schluckte. Das Grauen stieg in mir hoch. Widersprechen? Zwecklos! Ich verließ lieber fluchtartig das Gebäude und grübelte.

Meine Aufgabe war superheikel. Worum es ging? Um den goldenen Kürbis! Abholen, wo der Pfeffer wächst und sicher nach Orangenhausen transportieren. Ich hatte keinen Schimmer wofür. Vielleicht als Grundstein für das neue Werksmuseum? Die neue Kantine? Die werkseigene Test- und Rennstrecke gleich neben dem Entwicklungszentrum? Alles schien möglich, nichts sicher. Nur eines: Der Job war nicht einfach. Und extrem geheim. Top secret!

Was wäre für diese Mission das ideale Gefährt? Falls Spione der Konkurrenz mir auf die Spur kommen und mich hetzen, um das Projekt zu verhindern. Keinesfalls irgendeine Gurke. Das Urteil der bösen Wichte wäre vollstreckt, bevor es überhaupt gesprochen wäre.

Ich brauchte das schnellste unauffälligste Zweirad dieses Planeten. Schnell wäre kein Problem. Aber graumausig? Das kann niemals eine KTM sein, wusste sogar ich.

Meine Gedanken kreisten quer durch die Palette der Modelle. Eins fescher als das andere. Ich könnte in der künstlerischen Abteilung anfragen. „Bittschön, könnts nicht ausnahmsweise eine Kante unauffällig gestalten, also eher unsichtbar, quasi mit Tarnkappe?”

Ich ohrfeigte mich selber. Was für eine idiotische Frage. Praktisch war die Chance natürlich gleich null. Kiss K, der Design-Gott, würde es nicht zulassen. „Füar Stealth-Bomba samma net hia”, würde die Antwort lauten. Oder so ähnlich.

In meiner Verzweiflung schilderte ich Schitt Co, einer der wenigen Dealer-Freunde, die ich habe, mein Problem. „Nimm die T”, presste Schitt hervor, der gerade unter einem halben Dutzend Rennmaschinen lag, um die Ölablasschrauben mit einer Zahnbürste zu reinigen.

Klar: T wie Tarnung. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. SM T, geniales Teil. Dynamisch, lebendig, zuverlässig. Und in Schwarz dezent zurückgenommen und unscheinbar. Ideal für lange Distanzen, aber alles andere als eine Schlaftablette. Genau richtig, mal eben 800 km abzureissen.

Dann überlegte ich angestrengt weiter. Und was anziehen, vielleicht eine Textilklamotte in Sandsack-Optik und Friedhofsschwarz?

Ach Quatsch! Was lernt man in jeder Geheimagentenschule? Verblüffe den Gegner. Tue das Gegenteil von dem, was alle erwarten. Sonst fliegt die Tarnung sofort auf. Besser ist, womit niemand rechnet. Ansatzlos den Uppercut ansetzen. Bumm und Knockout!

Also zog ich das schönste Gewand von allen an, das auffälligste weit und breit. Ich schlüpfte in einen weißen Leder-Einteiler. Weiß mit Gold. Niemand würde auch nur ahnen, dass ich in geheimer Mission unterwegs war. Das absolut perfekte Ablenkungsmanöver-Outfit.

Ich holte also in der Geheimzentrale den goldenen Kürbis aus dem Tresor und steckte ihn in meinen Rucksack. Ich zurrte den Helm fest, schloss das dunkle Visier, drückte auf den E-Starterknopf. KAA-TEE-EMM. Kick Tausend Mal, hahaha! Natürlich sprang die T sofort an.

Ich schnippte den Gang rein und brauste davon, über alle Berge ins gelobte Kürbisland. Die Drehzahlmessernadel tanzte, der V2 bollerte befreit aus den Auspufftöpfen mit den weltschönsten Schweißnähten. Nur ein Stück Autobahn, den Rest Landstraße, rauf und runter, rechts-links und links-rechts, weite Schwünge und enge Kehren. Drei Tankfüllungen lang. Hammerherrlich.

Kurz vor dem Ziel stoppte ich in Orangenhausen an einem Café, schlürfte eine heisse Melange und schaute mich vorsichtig um. Weit und breit kein Bösewicht in Sicht. Perfekt. Alle abgeschüttelt. Sicher war ich viel zu schnell. Ich rollte noch die letzten Meter, bog hinter der Stadtgrenze links ab ins heilige Areal. Ich stoppte am Haupteingang, warf den goldenen Kürbis dem Pförtner vor die Füße und wheelisierte davon. Noch mal Schwein gehabt.

Danke T, bist ein sagenhaft gutes Bike. Aber in Orange, der einzig wahren Farbe, gefällst mir trotzdem besser.

Der goldene Kürbis ist sicher angekommen in Mattighofen // The golden Pumpkin has arrived safely in Mattighofen.

Der goldene Kürbis ist sicher angekommen in Mattighofen // The golden Pumpkin has arrived safely in Mattighofen.