Dosenbier am Red Bull-Ring

Was braucht es, um zwei Rennstrecken-Enthusiasten glücklich zu machen? Einen freien Sonntag, ein Sechsstunden-Rennen am Red Bull-Ring und zwei serienmäßige KTM RC8 R. Thomas »Kutti« Kuttruf erzählt von seinem Racing-Ausflug mit Kumpel Olli alias »Rakete«.

Es ist fast eine Tradition. Mindestens einmal im Jahr zieht es mich hinaus an die Rennstrecke, an den Schauplatz, der an allem Schuld hat, meinem Job, meinem Wohnort, etlichen Narben, ja sogar meine Frau hätte ich nicht ohne Racetrack kennengelernt. Doch das sind andere Geschichten…

Wer einmal den Rennstrecken-Virus intus hat, ahnt was gemeint ist. Normal begebe ich mich viele Kilometer gen Nordwesten an den Nürburgring. Denn hier veranstaltet der Dortmunder Motorsport Club, kurz DMC, seit Jahren eine eigene Rennserie, die dank überschaubarem Regelwerk, viel effektiver Fahrzeit und nicht zu verachtender Konkurrenz mit bis zu 80 Teams wie maßgeschneidert für einen PR-Schreibtischtäter und Gelegenheitsracer wie mich ist.

 

Mit von der Partie sind dabei Freund und Flügelmann Olli »Rakete« und die RC8 R – grundsätzlich im Serientrimm, denn ein komplett aufgebautes Semiprofi-Renngerät macht für uns Feierabend-Racer so viel Sinn wie ein Lear-Jet im Garten für den täglichen Weg zum Bäcker. Minimaler Aufwand für maximalen Fahrspass lautet unser simples Prinzip. Wenn bei der Aktion obendrein ein erfreuliches Resultat herausspringt, dann auch gut.

Vor wenigen Monaten dann die überraschende Ankündigung: Der DMC kommt nach Österreich! Und veranstaltet am Red Bull Ring in Spielberg ein 6h Rennen. Keine Frage, da sind wir dabei. Olli, zu Hause in meiner alten Heimat Wuppertal, mach dich auf den Weg!

 

So rollen wir mit bewährter Rezeptur in die Steiermark. An Bord zwei serienmäßige RC8 R, für jeden Fahrer eine (weil bei den Boxenstops der DMC-Endurance-Rennen wird nicht nur der Fahrer, sondern auch gleich das Bike mit gewechselt). Spiegel weg, Kennzeichen weg, Startnummer drauf, fertig. Ready to Race eben.

Schade für den Veranstalter, gut für die Übersicht auf der Strecke: Bei der Endurance-Premiere in Österreich haben sich nur ein Dutzend Teams eingeschrieben. Startnummer 197 sind wir, das KTM Junior Team. Nach kurzem freien Training zaubert Kollege Rakete eine niedrige 1.38er Zeit auf die Piste und bucht damit den vierten Startplatz. Langstreckenfüchse wissen zwar, dass dies eher zweitrangig ist, aber wer will schon hinten anstehen?

 

Bevor es ernst wird, gesellt sich ein freiwilliger Helfer zu uns. Peter Ziegler aus dem KTM-Marketing, selbst praktizierender Rundkursfeiler, war am Vortag noch als Trackday-Teilnehmer dabei und erklärt sich spontan zum »Crew Chief«. Was sich als extremst hilfreich entpuppt, denn ein 6h Rennen ohne Boxencrew zu bestreiten und dazu mit dem Vorsatz, nicht Letzter zu werden, scheint irgendwie nicht die beste Idee.

Ursprünglich hatte sich Schrauberkünstler und Vollprofi Carl Giles (aus der Moto3-Factory-Werksrennabteilung) erbarmt, uns zu servizieren. Nur leider hat sich »Carlos« mit dem Mountainbike brutalst in den Wald gebohrt und muss alle Ereignisse aktuell aus erzwungener 90° Ruhelage beobachten. Also: Gute Besserung Carl – und festen Dank Peter!

 

12.00 Uhr Start. In bewährter Tradition wetzt die Rakete (nomen est omen) wie angestochen davon: Platz 2 nach Runde 1. Wie erwartet ist es nicht wirklich möglich, die teils bis an die Zähne mit Akra-Öhlins-2D & Co bewaffneten Spitzenfahrer zu halten, nach der Hälfte der Distanz, reihen wir uns ein auf Platz 4. Von hinten droht noch Druck, die auf Platz 5 liegenden Fireblade-ZX10R-Mannschaft fährt ein strammes Tempo, verliert aber immer wieder Zeit bei den Wechseln.

Mit brilliant haftenden Slicks sind die KTM-Twins alles andere als Kanonenfutter. Im Gegenteil. Erwischt man den Ausgang Ende Zielgerade perfekt, stürmt die RC8 R auch mit Serienübersetzung so gewaltig auf die Remus Kurve zu, das Olli mit seiner Jockey-Figur manche getunte 1000er auch geradeaus abduscht. Ein enormer Vorteil am Red Bull-Ring ist auch die Spitzenbremse der RC8 R. Selbst nach Aberdutzenden Gewaltbremsungen vor den engen Haken in der Spielberg-Arena wird punktgenau präzise verzögert. Einziges Tribut an die Höllenankerei: Jedes Bike frisst über die Distanz einen Satz Bremsklötze. Haaaammm – und weg!

 

In diesem Sinne, danke an die Rennleitung fürs pünktliche Abwinken nach sechs Stunden auf einem sicheren vierten Platz und nach völlig störungsfreien 210 Umläufen. Wirklich länger hätten die Beläge, aber ehrlich auch beide Fahrer, nicht mehr durchgehalten. Stilecht endet so der Ausflug des DMC zum piekfeinen Red Bull Ring mit dem obligatorischen Dosenbier unterm Podest, als rustikaler Ausklang für den perfekten Tagesausflug – der uns wie erhofft sowohl um einen Pokal als auch um einen festen Muskelkater reicher gemacht hat.