Collecting Moments #6: Der Weg zurück

Einen Gang zurückschalten. Aber nur, um Anlauf für neue Abenteuer zu nehmen … Genau das habe ich in den vergangenen Monaten gemacht. Nach meiner Verletzung begann ein ganz anderes, neues Kapitel in meinem Leben. Der Fokus lag nicht auf neuen Abenteuern, sondern auf etwas ganz Einfachem, eigentlich Selbstverständlichem: gesund werden!

Wenn man noch nie eine Verletzung hatte oder gezwungen war zu pausieren, ist es richtig schwer, sich in so einer Situation zurechtzufinden. Physisch wird man vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Alltagssituationen, wie sich die Hose selbst anziehen, einfach mal schnell in die Küche gehen und sich ein Glas Wasser holen oder Stiegen rauf und runter laufen, werden zu richtigen Projekten. Aber nicht nur körperlich auch, oder vor allem, psychisch war es eine richtige Challenge. Noch nie zuvor fühlte ich mich so eingeschränkt und teilweise hilflos. Bis ich lernte, diese Situation anzunehmen und das Beste daraus zu machen, hat es doch etwas gedauert. In gewisser Weise befand ich mich in einem Kampf mit mir selbst.

© Anna-Larissa Redinger

In den Monaten nach der Verletzung standen zunächst natürlich viele Untersuchungen und Einheiten beim Physiotherapeuten an. Dort wurde ich mit Ratschlägen, Übungen für zu Hause und Informationen überhäuft. Nachdem ich mir verschiedene Meinungen zum Zustand meines Knies eingeholt hatte, blieb ich bei der Entscheidung, mich nicht operieren zu lassen. Auf die Frage nach dem Warum bekam ich die unterschiedlichsten Reaktionen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Die einen waren verwundert, die anderen konnten es verstehen. Gerade bei Knieverletzungen gehen die Meinungen offensichtlich sehr stark auseinander.

Den finalen Impuls für meine Entscheidung lieferte mir ein Familienmitglied. Mein Opa, 75 Jahre, fährt aktiv im FIS-Ski-Weltcup Rennen in der Seniorenklasse und ist immer unter den Top 3. Seine beiden Kreuzbänder waren bereits gerissen und dennoch ist er sportlich gesehen auf einem Level, von dem andere in seinem Alter nur träumen. Mit seiner Konsequenz und seiner erfolgreichen Karriere als sportlicher Pensionist hat er mich inspiriert und vor allem motiviert. Er hat mir Mut gemacht, auch ohne Operation und einen riskanten Eingriff ins Knie wieder vollkommen fit zu werden!

© Anna-Larissa Redinger

Das Seitenband zwang mich einige Wochen zur vollkommenen Ruhe, ist mittlerweile aber wieder annähernd vollständig geheilt. Die starke Knochenprellung ging langsam, aber stetig zurück, so dass die Schmerzen um einiges erträglicher wurden. In den Physiotherapiesitzungen war ich zu Beginn sehr vorsichtig. Das Knie wieder zu belasten und das Vertrauen zu finden, war schwieriger als gedacht. Ich hatte dieses Gefühl nach dem Sturz noch in den Knochen: Der Oberschenkel ging nach rechts, der Unterschenkel nach links. Ein grausamer Schmerz und bei dem Gedanken daran bekomme ich Gänsehaut.

Etwas Neues zu lernen ist schwer, aber etwas Gewohntes wieder zu erlernen, ist noch um einiges schwieriger. Einfach auf einem Bein stehen; wie schwer kann das schon sein? Man kann es sich kaum vorstellen, aber das hat mich viel Überwindung gekostet! Als es dann nach einigen Anläufen klappte, kamen mir vor Freude und Erleichterung die Tränen. Das Knie hat gehalten!

An meine neuen „Sportgeräte“, die Krücken, konnte ich mich anfangs gar nicht gewöhnen. Ich empfand sie als sehr unpraktisch, musste aber leider feststellen, dass ich ohne sie noch hilfloser war als mit. Ich musste mich also wohl oder übel mit ihnen anfreunden. Schnell habe ich allerdings herausgefunden, dass Krücken ja irgendwie doch eine Art Sportgerät sein können. Jeder, der schon mal auf Krücken unterwegs war, weiß, wie anstrengend das ist. Die Schultern und Oberarme werden richtig beansprucht und wenn man versucht etwas schneller zu gehen, kommt man definitiv ins Schwitzen. Ich hatte also eine neue Sportart für mich entdeckt oder eine neue, andere Möglichkeit, mich mit körperlich zu betätigen.

© Anna-Larissa Redinger

Kilometerweit „wanderte“ ich durch den heimischen Wald, bergauf, bergab und über Wurzeln und Steine. Das Gefühl wieder draußen zu sein, war unheimlich befreiend. Die Natur gab mir Kraft und machte die Zeit der Regeneration um einiges erträglicher. Ein kleiner Vorteil von Zwangspausen: man hat Zeit für Aufgeschobenes. Die Saison 2017 war doch recht turbulent und so genoss ich es, Zeit für meine Werkstatt und mein Bike zu haben. Alles wieder einmal komplett zerlegen, Teile austauschen, Service machen und alles wieder neu zusammenzubauen. Ein tolles Gefühl zu wissen, dass meine Rakete wieder fix und fertig für mich bereitsteht, wenn ich dann wieder fit und READY TO RACE bin!

© Anna-Larissa Redinger

Alles in allem geht es mir wieder sehr gut. Nun verstehe ich auch das Sprichwort „Eine Verletzung macht dich stärker!“, was sich anfangs nicht besonders logisch für mich anhörte. Ich habe von diesen doch sehr schwierigen Wochen und Monaten am Ende unheimlich profitiert. Für mich als Mensch und auch in sportlicher Hinsicht. Das Verlangen wieder auf meine KTM 300 EXC zu steigen, den E-starter zu drücken und loszufahren, war noch nie in meinem Leben so groß!

© Anna-Larissa Redinger

Erfahre mehr über Larissa auf dem KTM BLOG unter Collecting Moments #5: Zwangspause oder auf ihrer Webseite!

Fotos: Anna-Larissa Redinger