Glenn Coldenhoffs erstes Ziel für 2018 – den Motorradführerschein machen

Er sitzt jeden Tag auf dem Bike, obwohl er noch gar keine Motorrad-Fahrerlaubnis besitzt. Für Rennen auf Motocross-Strecken braucht MXGP-Fahrer Glenn Coldenhoff natürlich auch gar keine. Trotzdem kann er es nicht erwarten, endlich seinen Führerschein zu machen. Während der Vorbereitungen auf die Saison 2018 hat er sich zum Ziel gesetzt, seine Motorrad-Fahrprüfung zu bestehen.

Als einer der Top-Fahrer im KTM-Werksteam fährt Glenn Coldenhoff regelmäßig auf den gefährlichsten und anspruchsvollsten Motocross-Strecken der Welt und versucht, auf jeder so viele Weltmeisterschaftspunkte wie möglich zu sammeln. Und all das ohne einen Führerschein zu besitzen, einfach weil er dieses Stück Plastik dazu gar nicht braucht. Der 27-Jährige Niederländer möchte dennoch endlich den Führerschein machen. „Ich fahre ab und zu auch mal Enduro und dazu braucht man eigentlich einen Lappen. Aus diesem Grund habe ich begonnen, Fahrstunden zu nehmen“, erklärt der MXGP-Fahrer.

Coldenhoff hat sogar eine Fahrschule in der Nähe gefunden, die sich auf Motorrad-Fahrstunden spezialisiert hat. „Außerdem musste sie flexibel genug sein, dass ich meine Fahrstunden zwischen den Vorbereitungen auf die Saison nehmen konnte. Die Fahrstunden und die Tests zu koordinieren, war etwas anstrengend“, so Coldenhoff.

Glenn Coldenhoff (NED) © Shot Up Productions

Der Motocross-Fahrer aus den Niederlanden, der für das Red Bull KTM-Werksteam antritt, beginnt seine Jagd nach dem begehrten Führerschein mit einem Test, der die Motorradkontrolle prüft (in den Niederlanden als AVB-Test bekannt). Da er bereits den Auto-Führerschein besitzt, konnte er gleich mit den praktischen Teil der Fahrstunden beginnen. Wer keinen Auto-Führerschein sein Eigen nennt, muss eine theoretische Prüfung bestehen, bevor auf dem Bike trainiert werden darf. „Ich saß zum ersten Mal auf einem Straßenmotorrad; bis dahin war ich nur an MX- und Enduro-Bikes gewöhnt. Es fühlte sich zuerst schon etwas komisch an und es dauerte eine Weile, bis ich mich angepasst hatte. Ich hatte aber schnell den Dreh raus und machte danach große Fortschritte.“

Roy Amendt, Fahrlehrer und Eigentümer der Rijschool Roy, pflichtet ihm bei; Glenn sei ein besonderer Fahrschüler. „Er benötigte so gut wie kein Training, um sich auf die erste Prüfung zur Motorradkontrolle vorzubereiten.“ Nach nur zwei Stunden war er bereit, die erste Hürde zur Erlangung seines Führerscheins zu nehmen. Er bestand sie mit Bravour und war somit berechtigt, zur theoretischen Prüfung anzutreten. „Es war schon eine Weile her, seit ich zum letzten Mal für irgendetwas gelernt hatte. Die Tatsache, dass ich praktisch den ganzen Winter im Ausland verbringe, machte es nicht leichter, Zeit zum Lernen zu finden. Die letzte Woche vor der theoretischen Prüfung verbrachte ich in Italien und hatte gar keine Zeit. Deshalb war ich vor der Prüfung recht nervös – viel nervöser als vor der zur Motorradkontrolle.“

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Roy Amendt (NED) KTM 1190 ADVENTURE R & Glenn Coldenhoff (NED) KTM 1090 ADVENTURE © Shot Up Productions

An einem Dienstagmorgen im Dezember meldet sich Coldenhoff beim CBR (Central Bureau Rijvaardigheidsbewijzen; der Behörde, die in den Niederlanden für alle Fahrzeug-Zulassungen verantwortlich ist) in Eindhoven. Das Prüfverfahren hat sich in den letzten Jahren etwas verändert. Seit 2015 sitzt jeder Prüfling in einer eigenen Kabine, aber alle sind zusammen in einem großen Saal. Früher gab es große Bildschirme und alle saßen nebeneinander. Dazu Irene Heldens, die Sprecherin von CBR: „Früher saßen alle Prüflinge gemeinsam in einem großen Klassenzimmer und bekamen dieselben Fragen gestellt. Das hatte einige Nachteile, zum Beispiel, dass man etwa in einem Raum ausschließlich eine Motorrad-Prüfung abhalten konnte. Beim neuen System kann ein Motorrad-Prüfling neben jemandem sitzen, der eine Traktor-Prüfung ablegt.“ Auch Fahrlehrer Roy Amendt gefällt das neue System. „Wir gehören zu den wenigen Fahrschulen in der Gegend, die das ganze Jahr über Fahrstunden anbieten. Zuvor mussten die Fahrschüler lange warten, bis sie ihre theoretische Prüfung ablegen konnten, da die Behörde für den Winter wesentlich weniger Motorrad-Prüfungen einplante. Die Nachfrage war einfach zu gering, da viele Fahrlehrer während dieser Jahreszeit nicht unterrichteten. Heute kann jeder, der bereit ist, die theoretische Motorrad-Prüfung abzulegen, das im selben Klassenzimmer machen, wo andere die Prüfung für das Auto schreiben. Es funktioniert hervorragend.“

Glenn Coldenhoff (NED) © Shot Up Productions

Nicht dasselbe
Eine halbe Stunde später kommt Glenn Coldenhoff aus dem Klassenzimmer, ein kleines Lächeln auf den Lippen. „Es war knapp“, berichtet er. „Ich habe sechs Fragen falsch beantwortet, genau die maximale Anzahl, die man falsch beantworten darf. Trotzdem habe ich es zum Glück gleich beim ersten Mal geschafft.“ Einen kurzen Augenblick hatte es so ausgesehen, als müsste der Motocross-Rennfahrer aus Nord-Brabant (jener Provinz im Süden der Niederlande, welche die meisten aktuellen Top-Fahrer aus diesem Land hervorgebracht hat) den Winter über seinen Kopf wieder in ein Buch stecken. „Ich wollte außerdem auch noch den Bootsführerschein machen, entschied mich dann aber dagegen. Der ist noch schwieriger und ich wüsste einfach nicht, wo ich die Zeit dafür hernehmen sollte.“

Nachdem er auch diese Hürde genommen hat, ist Coldenhoff nun fast bereit, die Straßen zu erobern. Einzig die AVD-Prüfung (die eigentliche Fahrprüfung) steht ihm noch bevor. Er hat bereits einen Termin Ende Januar, um auch den letzten Bestandteil der heiligen Dreifaltigkeit der niederländischen Führerscheinprüfung zu absolvieren. Man denkt vielleicht, ein Profi wie er würde die meiste Zeit auf dem Straßenmotorrad trainieren. Falsch gedacht … Der Niederländer hat den Großteil des Monats im Ausland trainiert, um für die kommende Saison topfit zu sein. „Wir machen momentan große Fortschritte. Ich bin jetzt verletzungsfrei, was schon mal ein guter Anfang ist!“ Da die Saison-Vorbereitungen einen höheren Stellenwert als sein Führerschein haben, hatte er fast keine Zeit, sich auf die praktische Prüfung vorzubereiten. Glücklicherweise ist er nicht gerade von gestern, wenn es um Fertigkeiten auf dem Motorrad geht. Trotzdem ist das Fahren im öffentlichen Verkehr eine andere Sache. Obwohl er Europas Straßen bereits seit einiger Zeit im Auto befährt, fand der KTM-Fahrer das auf dem Motorrad schwierig. Einen Tag vor seiner Prüfung gab Fahrlehrer Hendrik Britting dem Niederländer letzte Tipps. Die erste Stunde auf dem Bike verlief nicht nach Wunsch. „Ich weiß, wie man ein Motorrad fährt, und natürlich fahre jetzt schon eine Weile mit dem Auto. Ich ging die Sache also locker an, hatte aber trotz dieser Erfahrung Schwierigkeiten“, so Coldenhoff danach. „Es geht darum, zu wissen, wohin du sehen musst, und du musst mit vier Fingern bremsen. Normalerweise habe ich mit nur zwei Fingern genug Bremskraft zur Verfügung. Hier bestehen sie aber darauf, alle vier zu verwenden. Oh, und die Spiegel; in der Beziehung ist das Bike ganz anders als mein Auto.“ Dank Brittings professioneller Hilfe beginnt ‚The Hoff‘, sich auf der KTM 1090 ADVENTURE im Straßenverkehr wohler zu fühlen. „Ganz nebenbei: Das ist ein gutes Bike. Ich habe zwar keinen Vergleich, aber ich mag es sehr.“

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Glenn Coldenhoff (NED) KTM 1090 ADVENTURE © Shot Up Productions

Kleine Details
Nach nur zwei Stunden in der Fahrschule steigt Coldenhoff von der KTM, um zu einer weiteren Trainings-Sitzung auf seiner vertrauten KTM 450 SX-F in Deutschland aufzubrechen. „Man kann deutlich sehen, was für ein Gefühl er für das Bike hat; es gibt nicht viel, das ich ihm noch beibringen kann“, kommentiert Fahrlehrer Britting. „Den öffentlichen Straßenverkehr kann man aber natürlich nicht mit einer MX-Strecke vergleichen. Glenn hatte damit anfangs Schwierigkeiten, wurde dann aber schnell besser. Daher denke ich, dass er bei seiner Abschlussprüfung keine Probleme haben sollte. Morgen besprechen wir noch ein paar kleine Details und dann sollte das für ihn ein Spaziergang werden.“

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Glenn Coldenhoff (NED) KTM 1090 ADVENTURE & Roy Amendt (NED) KTM 1190 ADVENTURE R © Shot Up Productions

Ein weiterer früher Morgen, eine weitere Motorradprüfung. Zuerst aber gibt es noch ein paar Detail-Unterweisungen. Fahrlehrer Roy Amendt: „Wir werden zum CBR fahren, dabei aber einen Umweg einlegen. Konzentriere dich einfach auf die kleinen Details.“ Beim Prüfzentrum angekommen, zeigen sich beide Männer zuversichtlich. Mit nur drei Fahrstunden auf der Straße fühlt sich der niederländische MX-Fahrer bereit, sich seinen Lappen zu holen. „Wenn er so fährt wie auf dem Weg hierher, wird alles gutgehen. Er ist etwas vorsichtig – mehr, als man das von einem professionellen Rennfahrer erwarten würde.“ Der KTM-Fahrer stimmt dem zu. „Komisch, oder? Gestern passierte mir beim Abfahren von der Autobahn ein kleines Missgeschick und ich steckte hinter einem LKW fest. Ich befolgte die Regeln; ich habe mich vorschriftsmäßig verhalten. Meine Vorsicht hat mich selbst ein bisschen verwundert. Alles, was ich machen konnte, war, mich an die Regeln zu halten und so zu fahren, wie ein Prüfer das von mir erwarten würde.“

Seine Nervosität war unbegründet. Nachdem CBR-Prüfer Krispijn Klappe ihm eine halbe Stunde zugesehen hatte, schüttelte er ihm die Hand – Prüfung bestanden. Klappe: „Etwas zu vorsichtig für meinen Geschmack, aber trotzdem bestanden.“ Allen steht ein Lächeln im Gesicht. Der Top-Motocross-Fahrer hat bewiesen, dass er ein Motorrad auch auf der Straße bewegen kann. Dennoch hält sich Coldenhoff lieber an Kieswege und Enduro-Pfade. „Ich glaube nicht, dass man mich oft auf der Straße zu Gesicht bekommen wird. Eigentlich habe ich den Führerschein nur gemacht, um legal Enduro fahren zu können. Trotzdem ist es gut, zu wissen, dass ich jetzt berechtigt bin, am Straßenverkehr teilzunehmen, wann immer ich will.“

Praktijkexamen Glenn Coldenhoff Praktijkexamen Glenn Coldenhoff
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Roy Amendt (NED), Glenn Coldenhoff (NED) & Krispijn Klappe (NED) © Shot Up Productions

Europäische Vorschriften
Seit es die Europäische Union gibt, sind Menschen dafür und dagegen. Tatsache ist aber, dass Europa über das Führerschein-System entscheidet. Es ist gut zu wissen, dass die EU dabei von der CIECA (Commission Internationale des Examens de Conduite Automobile), einem Konglomerat von Prüfinstituten aus ganz Europa, beraten wird.

Aus diesem Grund werden die Führerschein-Systeme seit 2011 auch bis zu einem gewissen Grad angeglichen. Heute gibt es drei Phasen beim Erlangen eines Motorrad-Führerscheins. In vielen europäischen Städten darf man ein Motorrad der Klasse A1 bereits mit Sechzehn fahren. Das bedeutet, dass man berechtigt ist, ein Bike zu bewegen, das nicht mehr als 125ccm Hubraum hat und nicht mehr als 11 Kilowatt leistet. Auch das Gewicht spielt dabei eine Rolle. Pro Kilogramm dürfen es nicht mehr als 0,11 Kilowatt sein. In der Klasse A1 gibt es aber auch einige Ausnahmen. In Belgien und den Niederlanden etwa muss man dafür achtzehn Jahre alt sein.

Nach der Klasse A1 erlangen Fahrer den A2-Führerschein. Dafür müssen die Prüflinge zwanzig Jahre alt sein. Damit darf man dann Motorräder mit einer maximalen Leistung von 35 Kilowatt und nicht mehr als 0,2 kW pro Kilogramm Gewicht fahren. Nach zwei Jahren in der Klasse A2 kann man dann in die Klasse A – zum uneingeschränkten Führerschein – aufsteigen. Bei beiden Übergängen (A1 zu A2 und A2 zu A) muss man eine weitere Prüfung ablegen. Es ist aber auch möglich, gleich in der höchsten Klasse zu beginnen. Dafür muss man in den meisten Ländern mindestens 24 Jahre alt sein.

Kürzlich ist eine weitere Option – der Code 80 – hinzugefügt worden. Damit kann man bereits mit 21 die Prüfung ablegen und den Führerschein ohne Einschränkungen bekommen. Auf dem Führerschein wird der Vermerk Code 80 hinzugefügt und nach zwei Jahren auf einer leichten Maschine kann man den Code legal entfernen lassen und ein Motorrad mit uneingeschränkter Leistung fahren. Beim Erreichen des 24. Lebensjahres wird der Code automatisch entfernt. Der größte Vorteil dessen ist, dass man nicht länger verpflichtet ist, eine weitere kostspielige Prüfung abzulegen, um eine Klasse aufzusteigen.

Obwohl die EU die Gesetze zu den Fahrberechtigungen erlässt, wurde die Code 80-Regelung in den einzelnen Ländern zum Teil anders adaptiert. Willst du wissen, wie es in deinem Land aussieht? Sieh dir diese Liste an, die alle Informationen beinhaltet, die du brauchen könntest, um deine Motorrad-Fahrprüfung zu bestehen.

Ein großes Dankeschön an JTX Racing, CBR, und Rijschool Roy für ihren schnellen Einsatz und die gute Zusammenarbeit.

Fotos: Shot Up Productions