Interview des Monats: Laia Sanz – Träume von der Dakar und die Herausforderungen der härtesten Rally der Welt

Die Rallye Dakar, die heuer in ihr 40. Jahr – das 10. in Südamerika – geht, gilt nicht ohne Grund als eine der härtesten Sportveranstaltungen der Welt. Über 9.000 km kämpfen sich mehr als 500 Teilnehmer dabei durch verschiedenstes Terrain in Peru, Bolivien und Argentinien, um den Besten unter ihnen zu küren. Darunter auch Laia Sanz. Als mehrfache Trial- und Enduro-Weltmeisterin beginnt für die ‚Wüstenkönigin‘ am 6. Januar die achte Dakar. Der KTM BLOG bat Laia im Zuge ihrer Reise nach Marokko zum letzten Trainingscamp einen Monat vor Start der Rally zum Interview.

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY © Future7Media

Du wechseltest nach einer unglaublich erfolgreichen Trial- und Enduro-Karriere in den Rallysport – war das immer dein Ziel?
„Das war es tatsächlich. Mein Traum war immer, bei der Dakar anzutreten. Ich kann mich erinnern, wie begeistert ich als Kind die Dakar am Bildschirm verfolgt habe. In Spanien waren wir in der glücklichen Lage, dass die Berichterstattung zum Rennen immer hervorragend war – mit einem einstündigen Programm jede Nacht. Als Kind hatte es für mich etwas Magisches, den Fahrern dabei zuzusehen, wie sie durch solch fantastische Landschaften fuhren. Trotz meiner Liebe und Faszination für die Veranstaltung hätte ich mir nie träumen lassen, selbst einmal die Möglichkeit zu haben, mitzufahren.“

Damals wurde das Rennen bekanntlich noch in Afrika abgehalten. Hat es deiner Meinung nach durch die Verlegung nach Südamerika an Faszination verloren?
„Obwohl die Verlegung aus Sicherheitsgründen stattfand, meine ich schon, dass etwas seiner Magie verlorenging. Die legendäre Zielankunft in Lac Rose wird auf immer eine Erfahrung bleiben, die ich gerne gemacht hätte. Vielleicht werden wir eines Tages zurückkehren. Ich habe mit Fahrern gesprochen, die auf beiden Kontinenten gefahren sind, und die sagen, dass sie Afrika zwar vermissen, dass Südamerika aber ebenfalls wunderschön und sogar eine größere Herausforderung ist. Klar ist die Sicherheit in den südamerikanischen Ländern höher, aber das Rennen ist auch härter. Es gilt, so viele verschiedene Terrains zu meistern, und dann fahren wir noch in großer Höhe, was ziemlich an die Substanz gehen kann.“

Wie gehst du mit dieser Herausforderung um? Dieses Rennen ist eine der härtesten Sportveranstaltungen der Welt. Wie bereitest du dich so kurz vor dem Start vor?
„Dieses Jahr bin ich viel Enduro gefahren, was mit der Fitness und dem Speed auf dem Bike hilft. Glücklicherweise habe ich mich nie verletzt und fühle mich heute fitter und besser vorbereitet als je zuvor. Diesen Monat ändert sich mein Trainingsplan ein bisschen – wir arbeiten viel an meiner Kondition, sodass die Trainingssitzungen länger werden. Auch mein Training im Fitnesscenter ändert sich etwas und ich versuche, ein paar längere Fahrten am Fahrrad einzuschieben, um meine Ausdauer zu steigern. Die Sonderprüfungen in Bolivien führen bis hoch in die Berge hinauf und um mich darauf vorzubereiten, versuche ich, so oft wie möglich Skifahren zu gehen – ein großartiges Ausdauer- und Höhentraining. Ich bin gerade in Marokko zu unserer letzten Trainingssitzung angekommen. Hier werden wir versuchen, einige längere Fahrten auf dem Bike zu unternehmen, und viel an der Navigation arbeiten, denn ich glaube, dass das dieses Jahr enorm wichtig werden wird.“

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY © Future7Media

Apropos Navigation: Das ist ja eine deiner Stärken und wenn man sich die Sonderprüfungen in Peru in der ersten Woche ansieht, weiß man, dass die Navigation kritisch sein wird!
„Meine Navigation ist gut, aber nicht perfekt. Letztes Jahr machte ich einige Fehler und konnte von Glück reden, dass mich die nicht zu viel Zeit kosteten – das Wichtigste ist, aus diesen Fehlern zu lernen und sie nicht zu wiederholen. Nach sieben Teilnahmen bei der Dakar und anderen Rallys rund um den Globus lerne ich immer noch ständig dazu und sammle stetig neue Erfahrungen. Du hast natürlich recht – die Navigation wird dieses Jahr sehr schwierig werden. Ich glaube aber, dass ich das in einen Vorteil für mich verwandeln kann. Ich weiß, dass ich nicht so stark wie andere Fahrer bin und dass ich nicht immer gleich schnell fahren kann. Wenn ich aber intelligent und konstant fahre, kann ich selbst mit den Top-Jungs konkurrieren. Bei der Dakar geht es nicht nur um den Speed, sondern auch darum, konzentriert zu bleiben, sich mental und körperlich gut vorzubereiten und schließlich auch darum, anzukommen.“

Wie gehst du mit dieser ‚mentalen‘ Seite der Dakar um – viele Tage auf dem Motorrad mit fast keinem Kontakt mit anderen Menschen, nicht zu vergessen der Stress der körperlichen und mentalen Erschöpfung?
„Für mich ist das ganz sicher der härteste Teil der Rallye Dakar. Bereits nach ein paar Tagen fühlst du dich ausgepumpt und der Schlafmangel trägt nur noch mehr dazu bei. Du wachst müde auf und musst dann den ganzen Tag fahren. Anders als bei anderen Rennen musst du bei der Dakar nach dem Fahren noch dein Roadbook für den nächsten Tag vorbereiten und die Fahrerbesprechung besuchen, bevor du dich hinlegen kannst. Das wird nach einer gewissen Zeit wirklich schwierig. Die Einsamkeit macht dir auch zu schaffen, sie hat aber auch ihre guten Seiten – du erlebst so viele umwerfende Landschaften und ich liebe das Freiheitsgefühl der Dakar. An schlechten Tagen fragst du dich dann schon, was du eigentlich hier machst, aber wenn du die Ziellinie überquerst, weißt du, dass es das wert war.”

Nimmst du irgendwelche Glücksbringer auf die Fahrt mit?
„Ich trage immer einen Anhänger mit dem Bildnis des heiligen Antonius bei mir, den mir meine Großmutter auf meine erste Dakar mitgegeben hat. Der heilige Antonius ist der Schutzheilige der verlorenen Dinge und hat mich immer beschützt und heute denke ich nicht einmal daran, ohne ihn an den Start zu gehen.“

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY © Future7Media

Wenn du dir die Route für dieses Jahr ansiehst – glaubst du, dass sie für dich vorteilhaft ist?
„Ich glaube, dass viele Fahrer in den letzten Jahren den Sand vermisst haben, aber nach einer Woche in Peru werden sie ihn sicher wieder satt haben (lacht). Ich habe glücklicherweise etwas Erfahrung mit der Gegend, da ich dort in den Jahren 2012 und 2013 gefahren bin und sie für mich der beste Teil war – ziemlich ähnlich wie die ursprüngliche Dakar in Afrika. Es wird schwierig werden und alle werden eine gute Navigation brauchen, ich freue mich aber darauf. Die zweite Woche wird für mich wesentlich härter werden. Dann warten zwei Marathon-Sonderprüfungen auf uns und es wird richtig heiß werden in Argentinien. Das alles nach einer Woche harten Rallyfahrens, wenn alle schon fix und fertig sind.“

Wie gehst du mit den Marathon-Prüfungen um. Freust du dich auf die Herausforderung?
„Ich hasse die Marathon-Prüfungen. Ich bin kein besonders guter Schrauber. Wenn also etwas am Bike kaputt geht, bin ich nicht gut dabei, es zu reparieren. Außerdem schläfst du nicht so gut wie im Feldlager, was das Ganze noch anstrengender macht. Die mentale Seite ist richtig hart, weil du deine Mannschaft am Ende des Tages nicht siehst – du siehst weder deinen Mechaniker noch das Team und das macht dich fertig. Du musst die Prüfung vorher etwas vorsichtiger fahren, damit du keinen Unfall baust und das Bike beschädigst. Wenn etwas kaputt geht, könnte das nämlich das Ende deines Rennens bedeuten.“

Was sind deine Ziele? Strebst du einen weiteren Top-10-Platz an?
„Ich will mich selbst nicht zu sehr unter Druck setzen. Das Niveau ist verdammt hoch – wir konkurrieren mit einer neuen Generation aufstrebender Fahrer, die auf den Sonderprüfungen einen unglaublichen Speed zeigen. Dieses Jahr treten mehr Fahrer denn je an, die eine Chance auf den Sieg haben. Wenn du dir die Nennliste ansiehst, sieht es so aus, als wäre es extrem schwierig, auch nur unter die ersten 30 zu kommen. Aber das täuscht. Die Dakar verlangt viele verschiedene Fähigkeiten von den Fahrern und Geschwindigkeit ist nicht alles, was es zum Sieg braucht. In den letzten paar Jahren beendete ich das Rennen immer entweder unter den ersten 15 oder knapp dahinter. Ich sehe also keinen Grund, warum ich das nicht auch dieses Mal schaffen sollte. Das neue Bike hat meine Erwartungen für dieses Jahr noch einmal angekurbelt. Es passt gut zu mir und meinem Fahrstil.“

Sprechen wir doch ein bisschen über die KTM 450 RALLY. Hattest du großen Einfluss auf ihre Entwicklung und in welchen Bereichen wurden die größten Fortschritte gemacht?
„Ich könnte mit dem neuen Bike nicht glücklicher sein. Es fühlte sich im Oktober bei der OiLibya Rally so gut an. Das Team hat unglaublich gute Arbeit geleistet und es in wirklich jeder Hinsicht verbessert – es ist nicht nur leichter und schneller, sondern auch stabiler, und das macht auf den Prüfungen den Unterschied. Wenn du unerwartet in ein Schlagloch fährst oder plötzlich ein Sprung auftaucht, bleibt das Bike immer völlig ruhig, was ein riesiger Fortschritt ist. Ich bin nicht so stark wie manche andere Fahrer im Team, deshalb ist es für mich wahrscheinlich von besonderem Vorteil, ein wendigeres, leichteres Bike zu haben. Hoffentlich kann es mich bis ins Ziel der Dakar tragen und mir zu einem weiteren guten Resultat verhelfen …“

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY © Future7Media

Fotos: Future7Media