REAL ADVENTURE #2

Kakteen, Klapperschlangen, Schrotflinten, ein Geisterhaus, Lagerfeuer, gefrorene Klamotten und ein ganzer Tag im Gelände – das perfekte Rezept für eine Motorrad-Präsentation.

Die besten Motorrad-Ausflüge sind die, die genauso viele Geschichten bieten wie echten Thrill. Mit Kakteen, Geistern, Schrotflinten, Bier am Lagerfeuer und – um unseren Guide Quinn Cody zu zitieren – „den vielleicht besten Trails der Welt“ bot die Location, welche KTM für die Vorstellung der neuen KTM 1090 ADVENTURE R gewählt hatte, genau den (stacheligen) Thrill, den man sich von einem perfekten Motorradausflug erhofft.

Wie ihr Name bereits erahnen lässt, ist in der San-Jacinto-Wildnis nicht gerade viel los. Geradezu über die Felsen springend, bahnen wir uns unseren Weg durch die wohltuend riechenden Kiefernwälder des Thomas Mountain, genießen die Aussicht auf Tahquitz Peak und Suicide Rock – beides beliebte Plätze zum Klettern.

Als Europäer muss man sich erstmal daran gewöhnen, Wege vorzufinden, die nicht nur schier endlos, sondern auch mit Adventure-Motorrädern gut zu befahren sind, nachdem tief hängende Wolken sie über Nacht etwas feuchter gemacht haben. Ich war so begeistert, dass ich von meinem Motorrad absteigen, meine Handschuhe ausziehen und den Boden mit meinen Fingern befühlen musste (ungelogen). Diese Wege sind so unglaublich gut, dass ich ständig befürchte, das Ende hinter der nächsten Kehre zu finden – oder zumindest einen Park-Ranger, der uns sagt, wir sollen Leine ziehen.

Dabei ist es völlig legal, das Wegenetzwerk Kaliforniens zu befahren, und die KTM 1090 ADVENTURE R meistert alle Arten von Wegen, die Quinn und sein Team für uns vorbereitet haben, mit Bravour. Auf felsigen Bergpfaden, lehmigen Waldabschnitten und staubigen Feldwegen verpasst uns die neue R einen Adrenalinstoß, der erklärt, warum die R-Modelle aus KTMs ADVENTURE-Reihe in diesem Teil der USA so beliebt sind.

Nachdem wir endlich die Lost-Valley-Road, die zu unserem Übernachtungsplatz in Warner Springs führt, gefunden haben, schießen wir im vierten Gang den weichen, sandigen Pfad hinunter, was wir nur wagen, weil wir die KTM 1090 ADVENTURE R zuvor in- und auswendig kennenlernen durften. Ein Heidenspaß und die perfekte Art, einen Tag im Sattel ausklingen zu lassen.

Ed, der unseren Zeltplatz bei der Chaney-Ranch betreut, ist extrem hilfsbereit und versorgt uns mit üppig beladenen Tellern, eisgekühltem Bier sowie Schrotflinten, Tontauben und Geschichten über Geister und alte Hollywood-Stars, die früher hier gelebt haben. Unser Übernachtungsort ist so ruhig, dass mich seine Geistergeschichten sicher den Schlaf gekostet hätten, wenn da nicht die vielen Biere gewesen wären.

Der nächste Morgen beginnt mit frischen, um nicht zu sagen eiskalten Temperaturen, wie einige Unvorsichtige, die ihre Ausrüstung im Freien liegen gelassen hatten, schnell herausfinden. Unsere KTM 1090 ADVENTURE Rs sehen von oben bis unten nach Abenteuer aus. Als sich die noch völlig schlaftrunkenen Fahrer aus ihren Zelten schälen und sich einen wärmenden Kaffee gönnen, sehen sie aus wie Cowboys, die aus der Hintertür eines Saloons treten und Ausschau nach ihren Pferden halten. Die Geschwindigkeit, mit der sie nach einer heißen Dusche ihre Bekleidung überziehen würde selbst einen Usain Bolt vor Neid erblassen lassen.

Als wir uns unseren Weg hinunter in die mit Kakteen übersäte Anza-Borrego-Wüste bahnen, steigen die Temperaturen rapide an. Für mich als Nordeuropäer beinhaltet so eine Fahrt durch die Wüste ein Element der Gefahr, wie ich es nicht oft verspüre. Die Bedingungen sind nach wie vor super – manchmal muss ich mich mitten in einem Drift sogar selbst beim Schlafittchen nehmen und eine ruhigere Gangart wählen. Schließlich lauert abseits des Weges eine Wand aus Stacheln, die nur darauf warten, sich in deine Kleidung zu bohren. Es ist also nicht zu empfehlen, in der Kurve zu weit nach außen zu geraten oder gar den Weg zu verlassen. Wir haben es praktisch mit einer Offroad-Version der Steinwände auf der Isle of Man TT-Strecke zu tun, wo die Konsequenzen eines Fehlers desaströs sein können. Klar sind Steinwände härter als Kakteen, aber auch die Aussicht, mit Stacheln wie Akupunktur-Nadeln gespickt auf Felsen zu krachen und neben einer Klapperschlange zum Liegen zu kommen, ist nicht gerade erhebend.

Am zweiten Tag halten wir zum Mittagessen zwischen Ricardo Brecedas riesigen Skulpturen in der Anza-Borrego-Wüste an. Hier ist es so heiß, wie man es von einer Wüste erwartet, und obwohl die Chaney-Ranch mit ihrem Frost nur ein paar Fahrstunden hinter uns liegt, scheint sie Millionen Meilen weit entfernt zu sein.

Der Weg zu unserem Mittags-Stopp zaubert ein Lächeln auf die Lippen aller Fahrer. Mal sandig, dann wieder hart und kompakt, schlängelt er sich am Talboden entlang. Dies muss jener Weg sein, den Cody gemeint hatte, als er von den „vielleicht besten der Welt“ sprach. Knapp eine Stunde lang fahre ich die KTM 1090 ADVENTURE R im dritten oder vierten Gang, und lenke sie mit dem Hinterrad, nie die Bremsen benützend. In solchen Fahrsituationen verstehst du plötzlich, warum so ein Motorrad einen schmäleren Vorderreifen braucht und warum die breiteren Fußrasten aus dem Katalog der KTM PowerParts Sinn ergeben. Der am Vorderrad der KTM 1090 ADVENTURE R montierte Continental TKC 80 in der Dimension 90/90-21 steuert die Fuhre über das Terrain, während du dein Gewicht auf den Fußrasten verlagerst, um das Bike zu lenken, und mehr Gewicht auf den Continental-Reifen am Hinterrad verlagerst, damit er sich tiefer in den weichen Sand gräbt. Aus solchen Wegen sind Träume gemacht.

„Die Größe Südkaliforniens bietet uns eine riesige Spielwiese. Für unsere Tests stehen uns aberhunderte Kilometer an Wüste zur Verfügung”, so KTM-Entwicklungsfahrer Quinn Cody. KTM muss seine Bikes bei Hitze und staubigen Bedingungen testen und Quinn kommentiert, dass man „sogar die Street-Bikes der Wüste und dem Staub aussetzt. Es muss verrückt klingen, eine KTM 1290 SUPER DUKE R einen Feldweg hinunterzuprügeln. Genauso wie wir Motorräder für den Stop-and-go-Verkehr bei 40 Grad Celsius testen müssen, müssen wir sie auch in der Wüste testen.“

Nach eineinhalb Tagen auf kalifornischen Wegen im Gelände stelle ich mich für die Fahrt nach Murrieta und zum KTM USA HQ auf Asphalt auf Langeweile ein. Stattdessen verwöhnt uns die Straße, die vom Borrego-Tal bergauf führt, mit Serpentinen, auf die jedes bergige Land stolz wäre. Den Touristen auszuweichen, denen schöne Fotos wichtiger zu sein scheinen als ihr Leben, erhöht den Spaßfaktor noch zusätzlich.

Außerdem gibt uns dieser Ritt die Gelegenheit, die Landschaft zu genießen und die Qualitäten der KTM 1090 ADVENTURE R auf der Straße unter die Lupe zu nehmen. Während wir im sechsten Gang dahincruisen, ändert sich die Landschaft: Die Wüste geht über in einen Bergpass, darauf folgen Weinberge und viele Meilen an Gestüten und Pferdekoppeln.

Nach zwei Tagen auf unbefestigten Wegen und über Hügel bin ich überzeugt, ein Stück echtes Amerika gesehen zu haben, Millionen Meilen abseits der traditionellen Sehenswürdigkeiten wie dem Hollywood-Zeichen, den Casinos von Las Vegas oder der Freiheitsstatue.

Auf unserer Fahrt haben wir beinahe jede Art von Gelände unter die Stollen genommen – ganz sicher jedoch jede Art von Gelände, für die Adventure-Bikes gebaut sind. Solange du dein Bike nicht durch harzig riechende Bergwälder gezirkelt hast, an sonnigen Weingärten und verschlafenen Indianerreservaten vorbeigeschossen bist, von Kakteen und Klapperschlangen verseuchte, steinige Wüsten durchquert hast und mit weichem Sand bedeckte Wege am Talboden – so perfekt, dass du schwören könntest, sie wären für dich geschaffen worden – befahren hast, hast du dein Motorrad noch nicht völlig ausgereizt. Damit eines ganz klar ist: Die KTM 1090 ADVENTURE R ist perfekt, um die USA zu erleben.

Fotos: Adam Boothy | Jon Pearson