Das Team: Einblick in die Red Bull KTM MXGP-Mannschaft

Egal in welcher Disziplin – Dakar, Enduro oder Moto3 – KTM verzeichnet Siege und Rekorde, besonders deutlich wird diese Dominanz im Motocross, wo die Marke in den letzten zehn Jahren jede einzelne Meisterschaft gewonnen hat.

Rund um Head of KTM Motorsport Pit Beirer ist das Red Bull KTM Werksteam in der MXGP (das MX2-Team mit Jeffrey Herlings und Pauls Jonass ergänzt das in Belgien und Italien ansässige, vom Italiener Claudio De Carli geleitete MXGP-Team mit den Fahrern Tony Cairoli, Tommy Searle und Ken De Dycker) eine freundliche, effiziente, konkurrenzfähige und von Leidenschaft für den Rennsport getriebene Einheit und gleichzeitig eine der größten im Paddock; die Red Bull Hospitality ein beeindruckendes Highlight in der MXGP, das Fans, Gäste, VIPs und Zuschauer gleichermaßen anzieht.

KTM MX Team Qatar 2015

Red Bull KTM Motocross Factory Racing Team Katar 2015

Das Team hat sich, seit De Carli Ende 2009 die Leitung übernahm, kaum verändert. Seit 2008 haben vier verschiedene Fahrer die FIM MX2-Weltmeisterschaft für KTM gewonnen und Tony Cairoli dominiert die MXGP seit 2010. Seit einem halben Jahrzehnt feiert das Team also jedes Jahr zwei Weltmeister-Partys und ist eine Größe im Motocross-Sport, zu dem jetzt auch ein gleichermaßen erfolgreiches Team in den Vereinigten Staaten gehört.

Der KTM BLOG sprach mit einigen der insgesamt 15 Teammitglieder, um herauszufinden, wie es sich anfühlt, ein Teil dieses Teams zu sein …

Dirk Grübel (MX2-Teammanager seit 2011): „Meine technischen Verantwortlichkeiten habe ich nach wie vor, aber seit ich ‘Team-Manager’ bin, sind noch ein paar Aufgaben hinzugekommen. Ich stehe jetzt mehr mit den Fahrern in Kontakt und komme offiziellen Verpflichtungen nach und gehe zu Meetings, um unsere Firma zu repräsentieren.“

Dirk Grübel, Pauls Jonass & Jeffrey Herlings Podium Thailand 2015

Dirk Grübel, Pauls Jonass & Jeffrey Herlings Thailand 2015

Wayne Banks (Pauls Jonass Mechaniker und seit fast vier Jahren bei KTM): „Natürlich spürt man einen gewissen Druck, aber man wächst mit seinen Aufgaben und man bekommt genug Zeit. Mit unserer aktuellen Teamaufstellung in der MX2, mit der Basis in Belgien und dem Team bei den Rennen, sind wir ziemlich gut aufgestellt.“

Davide De Carli (22-jähriger Trainingsmechaniker): „Ich bin im Training für Ken (De Dycker) verantwortlich, helfe aber auch den anderen Jungs. Jetzt arbeite ich mit Jeremy (Long, Rennmechaniker) für Tommy Searle. Das ist mein viertes Jahr mit dem Team; außerdem bin ich Manager des De Carli Junior Teams.“

Valentina Ragni (Koordinator des Teams seit 2003): „Manchmal glaube ich, dass ich neben meinem eigentlichen Job auch noch Psychologin bin! Du musst versuchen, so nah wie möglich an den Fahrern dran zu sein und dafür sorgen, dass sie zufrieden sind, aber alle sind individuelle Persönlichkeiten, genauso wie die Mechaniker; hier kommen so viele verschiedene Charaktere und Nationalitäten zusammen. Für diesen Job musst du sehr flexibel und optimistisch sein; wenn du eher mürrisch und konservativ bist, dann wirst du es vermutlich schwer haben, denn du musst jeden glücklich machen, aber gleichzeitig sicherstellen, dass man dich respektiert. Es ist ein Kompromiss.“

Wayne: „Hektisch wird es bei einem Rennen, wenn es Probleme gibt oder dein Fahrer stürzt, dann beginnt die Uhr schneller zu ticken und manchmal wir die Zeit knapp.“

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Wayne Banks & Pauls Jonass Belgien 2015

Dirk: „Natürlich steigt vor dem Rennen die Spannung. Die Fahrer werden nervös und Mechaniker erledigen letzte Arbeiten. Alle sind ein bisschen angespannt, aber wir verhalten uns professionell. Wir arbeiten schon lange auf diesem Niveau und niemand flippt aus oder ist gestresst.“

Davide: „Es ist nicht so, dass wir ‘erste’ und ‘zweite’ Mechaniker haben. Wir arbeiten als Team; wir teilen uns die Arbeit an den Bikes und in der Basis in Belgien oder Italien.“

Dirk: „Wir sind eine eingespielte Truppe und wenn jemand Hilfe braucht, dann packt jeder mit an. Das Rennen in Maggiora (ein verregneter Grand Prix in Italien im Juni) ist ein gutes Beispiel. Alle Teams hatten mit den Bedingungen zu kämpfen; wir sind nicht in Paik verfallen und haben mit zwei Mechanikern pro Motorrad gearbeitet.“

Davide: „Das Team ist aufeinander eingespielt und wir teilen die gleiche Einstellung; das ist das Wichtigste. Mein Vater bildet die Leute aus und zeigt ihnen, wie er sich die Dinge vorstellt. Jetzt denken alle Mechaniker wie er und haben viel Vertrauen in ihn und untereinander. Er möchte ein familiäres Gefühl im Team und erreicht das durch gemeinsame Aktivitäten und die gemeinsamen Reisen zu den Rennen.“

Valentina: „Manchmal hast du mit vielen Leuten zu tun, was sehr anstrengend sein kann, denn du musst ihnen – freundlich – klarmachen dass du nicht ihre Kellnerin oder Empfangsdame bist. Oft hilft tiefes Durchatmen und ein paar Yoga-Entspannungsübungen!“

Dirk: „Im Büro geht es meist ein bisschen entspannter zu. Da gibt es nicht diesen extremen Zeitdruck, schlechte Wetterbedingungen oder Stürze. Bei uns in der Werkstatt ist es ziemlich ruhig.“

Wayne: „Vier oder fünf von uns fliegen nach den Rennen zurück nach Österreich, für uns ist es fast wie ein ‘normaler’ Job. Bei vielen kleineren Teams kommen die Mechaniker von den Rennen zurück, um dann direkt an den Trainingsbikes weiterzuarbeiten.“

Davide: „Das ist mein viertes Jahr mit dem Team, aber ich habe auch viel von meinem Vater gelernt, wenn wir früher nach der Schule Zeit zusammen verbracht haben. Es ist so einfach mit ihm zu arbeiten, weil wir uns so gut kennen.“

Davide de Carli 2014

Davide de Carli 2014

Valentina: „Mit einigen Fahrern hat man eine engere Beziehung als zu anderen und bei den meisten ist es schade, wenn sie das Team verlassen. Ich versuche immer, mit ihnen in Kontakt zu bleiben, auch wenn sie für einen anderen Hersteller fahren. Das gleiche gilt für Mechaniker und andere, die dem Team nahestehen. Das ist einer der Vorteile im Motocross im Vergleich zum Straßenrennsport; hier kannst du diese Freundschaften im gesamten Fahrerlager aufrechterhalten.“

Wayne: „Ich versuche, auch unter der Woche mit Pauls in Kontakt zu bleiben, indem wir uns Nachrichten schreiben; bei den Rennen sehen wir uns sowieso. Ich hatte eine ziemlich gute Beziehung zu Jordi (Tixier, KTM Werksfahrer 2013 und 2014) und letzte Saison war es eine ziemlich merkwürdige Situation, als wir auf einmal unser eigenes Ding machen mussten; Rami (Falt), ging es mit Jeffrey (Herlings) genauso. Jordi hat in den ersten drei Überseerennen 2014 keine guten Ergebnisse eingefahren und ich dachte, dass unsere Chancen auf die Weltmeisterschaft damit bei Null lägen. Was dann mit Jeffrey passierte, konnte niemand vorhersehen (Herlings brach sich den Oberschenkel mit einem 145 Punktevorsprung in der MX2). Ich konnte es nicht glauben, als ich es gehört habe.“

Valentina: „Der letzte Grand Prix 2014 und die Situation in der Meisterschaft, mit Jeffrey und Jordi, die beide um die Weltmeisterschaft kämpften, war eine der schwierigsten, die ich bisher erlebt habe (Herlings kehrte nach seiner Verletzung frühzeitig zurück, um seinen Titel in der MX2 zu verteidigen, die er bis zu seiner Verletzung dominiert hatte, verlor den Titel aber mit nur vier Punkten Rückstand an seinen Teamkollegen Tixier). Ich wusste, wie sehr Jeffrey diesen Titel wollte und wie sehr er ihn verdient hätte. Das gleiche gilt aber auch für Jordi, denn er war immer vorne dabei und hat Rennen gewonnen; am Ende hat er mehr Punkte gesammelt und damit verdient gewonnen. Jeffrey ist seit vielen Jahren in unserem Team; wir haben Erfolge und Enttäuschungen miteinander erlebt und viel Zeit in Krankenhäusern verbracht und in Meetings gesessen, weil irgendwas vorgefallen war! In den letzten Jahren ist er aber viel erwachsener und reifer geworden. Ich weiß, wie schlecht er sich in Mexiko gefühlt hat und was für große Schmerzen er hatte. Noch am Tag vor dem Rennen waren wir beim Röntgen und ihn so leiden zu sehen, war nur schwer zu ertragen. Gleichzeitig habe ich mich aber auch für Jordi gefreut, denn es war eine der größten und besten Chancen seines Lebens und das eine Woche bevor sein Bruder einen schweren Unfall hatte. Diese Situation war für alle im Team schwierig, aber am Ende hat KTM gewonnen, das ist die Hauptsache. Trotzdem sind Gefühle nun mal Gefühle.“

Jordi Tixier, Valentina Ragni & Jeffrey Mexico 2014

Jordi Tixier, Valentina Ragni & Jeffrey Mexiko 2014

Wayne: „Ich hätte es nicht geglaubt, wenn mir jemand vor ein paar Jahren, als ich noch in Australien gelebt habe, gesagt hätte, dass ich eines Tages in so eine Situation kommen würde. Ich hätte gedacht, sie sind betrunken oder so …aber manchmal passieren merkwürdige Dinge.“

Dirk: „Rund um den Rennsport gibt es etwas, das sich schwer in Worte fassen lässt … Wenn ich kurz vor dem Start die 15-Sekunden-Tafel sehe, dann kann ich nicht genau sagen, was ich für einen Puls habe, aber er steigt und es fühlt sich an, als müsste ich selbst auf die Strecke gehen. Die Aufregung bleibt und ich kann es kaum erwarten, dass das Startgatter fällt und die Jungs in die erste Kurve einbiegen. Dann kannst du nur noch hoffen, dass dein Fahrer ohne Probleme durchkommt. Das ist ein ziemlicher Adrenalinkick.“

Davide: „Es ist gar nicht so schwierig, mit der ganzen Aufmerksamkeit, die das Team bekommt, umzugehen. Ich mag das; ich bin Italiener und stolz, wenn viele Zuschauer da sind und uns und besonders Tony anfeuern.“

Dirk: „Wenn du im Paddock in der KTM Hospitality bist, dann stehst du und das, was du tust, im Rampenlicht. Manchmal kannst du diesen Effekt bei den Jüngeren beobachten! Erfahrene Jungs wie Wayne oder Rami kümmern sich nicht darum; sie machen ihre Arbeit, ganz egal, ob ihnen zehn oder hundert Leute zuschauen.“

Wayne: „Du gewöhnst dich daran. Ich gebe mein Bestes und versuche den Rest auszublenden, es ist einfach ein Teil des Jobs. Ich spüre deshalb keinen zusätzlichen Druck und kümmere mich ganz normal um meine Aufgaben.“

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Red Bull KTM MX Factory Racing Team Italien 2015

Davide: „Tony (Cairoli) wird gerne von allen gemocht und möchte sich ins Team integrieren. Er will ein Teil von allem sein und verbringt deshalb viel Zeit bei uns im Teamtruck. Abseits der Rennen ist es genauso; wenn er nicht gerade trainiert, dann geht er mit uns Fischen oder Enduro fahren.“

Wayne: „Alle Teams wollen uns schlagen; wir sind eines der größten, wenn nicht das größte Team im Paddock und in meinen Augen ist es ein Privileg, hier zu arbeiten.“

Dirk: „Bei den Rennen testen wir nicht, da nicht genug Zeit bleibt, um etwas neues auszuprobieren und die Fahrer ein Motorrad brauchen, das sie in- und auswendig kennen. Natürlich gibt es kleinere Änderungen, aber nichts weltbewegendes.“

Wayne: „Seit diesem Jahr haben wir ein neues Motorrad und es war gut, in die Entwicklung und die Testfahrten involviert zu sein. Es war interessant und das erste Mal, das ich an einem neuen Motorrad mitgearbeitet habe. Die Arbeitsatmosphäre bei KTM ist angenehm, wie in einer großen Familie. Du weißt, was vor sich geht und hast viele Möglichkeiten. Das ist einer der Gründe, weshalb ich hier gerne arbeite.“

Dirk: „Die Zeit vergeht unglaublich schnell. Ich bin dankbar für das, was wir in der kurzen Zeit, in der ich wieder im Team bin, erreicht haben. Sepp (Sperl), mein Vorgänger, verließ das Team auf dem Höhepunkt des Erfolgs, nachdem sie zum ersten Mal in der KTM Geschichte beide Titel gewonnen hatten. Es waren große Fußstapfen, in die wir treten mussten, aber mittlerweile haben wir einen guten Weg gefunden. Es ist eine Sache, an die Spitze zu kommen, aber eine ganz andere, dort zu bleiben.“

Davide: „Ich mag alles an meinem Job. Das Reisen, die Bikes und die Leute. Im Sommer bin ich oft in Belgien und im Winter verbringen wir fürs Training oder für Testfahrten viel Zeit auf Sardinien und in Rom. Unsere Fahrer arbeiten zusammen und nicht unabhängig voneinander.“

Wayne: „Auch, wenn du der Mechaniker eines bestimmten Fahrers bist, kriegst du von den Rennen natürlich etwas mit. Ich erinnere mich am Matterley Basin dieses Jahr als Jeffrey mit (Max) Anstie und (Valentin) Guillod gekämpft hat. Klar, schaust du mit einem Auge immer auf deinen Fahrer, beobachtest mit dem anderen aber gleichzeitig das Renngeschehen. Wenn du die begeisterten Zuschauer hörst, musst du einfach hinschauen. Mich fasziniert einfach der Rennsport, egal, ob mein Fahrer an einer Situation beteiligt ist oder nicht.“

Valentina: „Je älter du wirst, desto häufiger fragst du dich, ob du das ganze Reisen auf dich nehmen willst, aber wenn du dann erstmal vor Ort bist, ist es, als würde sich ein Schalter umlegen und das liegt nur an der Leidenschaft für den Rennsport. Die Atmosphäre im Team ist sehr gut; wir sind zwar ein großes Team, aber wir stehen uns trotzdem sehr nah. Wenn ich hier bin, bin ich glücklich. Die größte Genugtuung sind natürlich gute Ergebnisse; unsere Fahrer sorgen mit ihren Erfolgen für großartige Emotionen, aber auch an schlechten Tagen weiß jeder, dass diese große Familie hinter einem steht.“

Fotos: www.ktmimages.com