KTM goes Sideways: Hanson Schrufs Flat-Track-Racer im Drift-Duell mit einem Sportwagen

Die österreichische Drift Challenge boomt seit Jahren, der Mazda MX-5 ist hier anerkannter Champion. Höchste Zeit, dessen jüngste Neuauflage mit einem Motorrad herauszufordern. Diese Aufgabe übernimmt Hanson Schruf, der mit seiner KTM 450 SX-F als Fachmann fürs Querlenken gilt – und bereits einen vierten Gesamtrang in der Flat-Track-Weltmeisterschaft erobert hat.

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Hanson Schruf KTM 450 SX-F & Mario Kranabetter Mazda MX-5

Die hohe Kunst des gepflegten Drifts ist nichts für Quereinsteiger. Wer das Heck in eine anmutige Seitwärtsbewegung bringen, den Lenker oder das Lenkrad in die entgegengesetzte Richtung einschlagen und danach in einer fließenden Bewegung der Kurve durcheilen will – der braucht Übung, Erfahrung und, ja, Courage. Vor allem, wenn sich außerhalb der Kurve Abgründe auftun oder unfreundliche Begrenzungen warten.

Wem das Manöver gelingt, dem ist hingegen der Ruhm des Moments sicher. Nichts wirkt kerniger als eine in flüssigem Drift genommene Ecke. Das war schon immer so, egal ob am Auto oder am Motorrad.

Nachdem die Kunst des Driftens in vergangenen Jahrzehnten eher ein Schattendasein gefristet hat, scheint gerade in jüngster Zeit wieder Wind in die Glut der Leidenschaft zu wehen. Bei den Motorrädern war es vor allem der zweifache, spanische MotoGP-Champion Marc Márquez, der mit seiner Vorliebe für Flat Track diese in den USA populäre Sportart nun auch in Europa salonfähig machte. Bei den Autos hingegen sorgten Serien wie die Drift Challenge Austria für Zulauf und Aufmerksamkeit. So ist Driften längst als Sportart etabliert, eine eigene offizielle Staatsmeisterschaft ausgeschrieben.

Wie würde es aussehen, wenn nun beide gegeneinander antreten würden? Der ewige Streit Motorrad gegen Auto, doch diesmal ohne Rundenzeiten, ohne Beschleunigungsmessung – dafür im Versuch, schöne schwarze Streifen auf den Asphalt zu malen?

Die Freiwilligen am Steuer sind Profis auf ihrem Gebiet: Hanson Schruf konnte zahlreiche Supermoto-Staatsmeistertitel gewinnen und erreichte nach seinem Wechsel zur neuen Trendsportart Flat Track bereits einen vierten Gesamtrang in der Weltmeisterschaft. Er tritt mit seiner KTM 450 SX-F an, die er mit wenigen Modifikationen zum Flat-Track-Racer umgebaut hat. Mario Kranabetter wiederum ist mehrfacher Drift-Staatsmeister und hat alle Titel auf einem MX-5 eingefahren. Für seinen Einsatz gegen das Motorrad bedient er sich des Roadsters in brandneuer vierter Generation.

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Die Eckdaten könnten nicht unterschiedlicher sein. Die KTM ist 106 Kilo leicht, rund 65 PS stark und geringfügig für das Antreten gegen den MX-5 modifiziert. Die Vorderbremse wurde wieder eingebaut, statt der Flat-Track-Bereifung am Heck verwendet Schruf einen grobstolligen Crossreifen: „Damit’s besser rutscht.“

Mario Kranabetter wiederum pilotiert einen völlig serienmäßigen MX-5, allerdings in der besten und stärksten Ausstattung: mit 160 PS aus einem 2-Liter-4-Zylinder, Bilstein-Fahrwerk, 17-Zoll-Felgen und Differenzialsperre am Heck. Im Bemühen nach Leichtigkeit hat das neue Modell gegenüber dem Vorgänger rund 100 Kilo abgespeckt und wiegt damit je nach Variante zwischen 900 und 940 Kilo ohne Fahrer. „Mit dem geringeren Gewicht ist das Auto nun noch schöner und präziser zu fahren“, meint Kranabetter. „Außerdem wurde der Schwerpunkt durch eine tiefere Einbaulage des Motors gesenkt.“

Auf der Rennstrecke – dem im trockenen Zustand mit gutem Grip gesegneten Wachauring – fällt es zunächst beiden schwer, den Rhythmus zu finden und die Drifts so anzusetzen, dass sich das fliegende Heck durch die gesamte Kurve ziehen lässt. Doch mit den Versuchen werden die Hecks immer leichter, die Driftwinkel größer. Der Unterschied: Im Auto sind deutlich höhere Geschwindigkeiten möglich und auch notwendig, um die Dynamik für den Drift aufzubauen. Außerdem kann Mario ein wenig übermütiger sein und sich bei den Versuchen auch den einen oder anderen Dreher erlauben; etwas, das man mit dem Motorrad eher vermeiden will.

Hanson Schruf wiederum kann schon bei niedrigerem Speed den Hinterreifen zum Ausscheren bewegen. Allerdings ist die übliche Flat-Track-Technik – bereits quer in die Kurve einzufahren – hier am Asphalt nicht mit so extremen Schräglagen möglich. Dafür entschädigen prächtige Slides am Kurvenausgang und so wandern spektakuläre Fotos auf die SD-Card des Fotografen.

Erstaunlicherweise gibt sich der Crossreifen auch nach mehreren Runden und entschlossenem Gaseinsatz erstaunlich hart im Nehmen. „Ich dachte, dass der Reifen schnell abbauen und seine Stollen wie ein Radiergummi auf der Strecke verteilen würde“, wundert sich Schruf. „Stattdessen hat er einige Runden gebraucht, damit er ordentlich für den Zweck vorbereitet ist – leicht abgefahren, aber immer noch mit genügend Profil. Jetzt ist er optimal, um kontrolliert durch die Kurven zu schmieren.“

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Man sieht, dass es beiden Spaß macht: Rauchende Reifen beim Auto und eine perfekte Balance am Motorrad mit Bewegung über alle denkbaren (und bislang unvorstellbaren) Achsen beweisen, wie amüsant und sehenswert es sein kann, wenn Könner in ihrem Metier zu Werke gehen. Hier schweben Dancing Stars über den Asphalt, die den schnellen Walzer üben und dabei ihrer jeweils eigenen Choreographie folgen, gekleidet in rote und orangefarbene Roben, unterlegt von der Musik ihrer Motoren.

Ein Richterspruch nach Showfaktoren wäre nach der beherzten Performance beider Darsteller unmöglich. Aber über eines sind sich hier alle einig: Ein nächstes Duell müsste auf der Flat-Track-Strecke folgen.

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Fotos: Kurt Pinter