Jun302015Juni 30, 2015Juli 2, 201553 Kommentarevon Adam Wheeler

Eiskalt: Kryotherapie in der MXGP

Es gab einen Moment, da begann ich mir Sorgen zu machen wegen der kalten Luft, die mir durch Mark und Bein ging. Wieder mal ein Beweis dafür, dass es auch für einen 38-Jährigen immer noch zahlreiche erste Male im Leben gibt. Bekleidet nur mit Unterwäsche, ein paar Thermo-Handschuhen und Pantoffeln, stand ich in einer ‘Cryosauna’: einer zylindrischen Kammer, ähnlich einer Duschkabine, umgeben von zahlreichen Trockeneis-Kristallen.

Die Temperaturanzeige an der Wand zeigte -145 Grad Celsius. Dieses Gerät scheint wie eine Art Folter, aber eine, die über 100.000 Euro kostet und für jede Session zehn Liter flüssigen Stickstoff braucht, gelagert in vier Flaschen für 10.000 Euro das Stück.

Die Kryotherapie gibt es jetzt auch in der MXGP – der FIM Motocross Weltmeisterschaft. Dank dem Clinic Medical Mobile und der Familie Ramel, die enorme Summen in das Gerät investiert hat und diesen Service auch in anderen Bereichen wie Radsport, Rugby und Tennis in Frankreich und Europa anbietet.

Die ‘Sauna’ feierte ihr Debüt beim Grand Prix im französischen Villars-sous-Écot und gehört seitdem dauerhaft zur Ausstattung des Medizin-Trucks der Familie Ramel. Es ist aber nur der erste Schritt einer Generalüberholung, die insgesamt mehr als zwei Millionen Euro kosten wird, wenn im September erstmal der Ganzkörperscanner installiert und in Betrieb genommen wurde. Motocross ist einer der härtesten – wenn nicht sogar der härteste – Motorsport, bei dem selbst ein Sturz bei kleinsten Geschwindigkeiten zu einem Knochenbruch führen kann. Weltklasse Motocrosser wie Red Bull KTM Werksfahrer Tony Cairoli oder Jeffrey Herlings müssen so fit sein wie professionelle Radrennfahrer und folgen einem intensiven Trainingsplan. Jede Unterstützung, die sie an der Strecke bekommen können, ist willkommen.

Warum stehe ich also für zwei Minuten in einer Maschine (professionelle Rugby-Spieler wie die Europameister aus Toulon oder der französischen Nationalmannschaft halten es zweimal pro Tag drei Minuten in der ‘Sauna’ aus), die in einem das gleiche Gefühl weckt, als wäre man am Nordpol in ein Eisloch gesprungen? Es gibt drei (medizinisch nachgewiesene) Gründe, warum diese Behandlung Vorteile bringt. Erstens, es unterstützt und beschleunigt die Regeneration. Zweitens, es unterstützt den Heilungsprozess von Brüchen und Verletzungen wie Sehnenscheidenentzündungen und drittens hilft es beim Entspannen, da ein Gefühl von „Euphorie“ erzeugt wird, wie es Gregory Ramel beschreibt, der ein wachsames Auge auf die Temperaturanzeige und mein besorgtes Gesicht hat. Auch nicht ganz unwesentlich für einen älter und ein bisschen breiter werdenden Journalisten: drei Minuten in der Cryosauna verbrennen 800 Kalorien – nicht schlecht.

Die Cryosauna wird sehr schnell sehr kalt. Haut und Gelenke reagieren sofort auf die Temperaturveränderung und ich spüre, dass ich kurz davor bin zu zittern. Komischerweise fangen meine Handgelenke und Knie (zu viel Fußball) leicht an zu schmerzen, als ich erst eine Minute in der Cryosauna stehe. Meine Handschuhe und Schuhe sind eisbedeckt. Gregory rät mir, mich leicht zu bewegen, was mich ein bisschen beruhigt. Ich würde das Gefühl nicht als angenehm beschreiben; ich meine, wer mag es schon zu frieren? Meine Gedanken wandern zu den Orten, an denen extrem niedrige Temperaturen normal sind. Wie würde ich damit zurechtkommen?

Als die zwei Minuten vorbei sind, steige ich aus der Sauna und fühle mich, als hätte ich zehn Espresso getrunken. Es hat mich wachgerüttelt und auch wenn es ein bisschen dauert, bis sich meine Handgelenke wieder normal anfühlen, kann ich mir vorstellen, dass regelmäßige Kryotherapie-Sitzungen als Teil eines Trainingsprogramms Vorteile bringen. Wenn ich mich nach einer ‘Eiserfahrung’ besser fühle, kann ich nur vermuten, was diese Therapie professionellen Athleten für Vorteile bringt.

Zwei Tage später feiert Jeffrey Herlings in Villars seinen vierten MX2-Saisonsieg mit Erfolgen in beiden Läufen und hat einen 113 Punktevorsprung bei noch zehn zu fahrenden GPs. Die Konkurrenten des Niederländers würden das Kältetraining wahrscheinlich erstmal skeptisch betrachten … auf der anderen Seite würden sie ihn vielleicht auch gerne hineinschubsen, denn die ’84’ hat momentan einen ziemlich heißen Fahrstil.