Interview des Monats: Designer Gerald Kiska – Der Mann, der KTM orangierte

Ein Exklusivinterview mit dem Mann, der das heutige Design von KTM maßgeblich mitbestimmte.

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Gerald Kiska 2014

Der 56-jährige Gerald Kiska ist Designer und Inhaber seiner eigenen Design-Agentur, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass orange die dominierende Farbe an KTM Motorrädern ist. Seit den frühen 90er Jahren gestaltet Gerald Kiska mit seiner Salzburger Agentur (mittlerweile mit über 140 Mitarbeitern) und in Abstimmung mit dem KTM Vorstand das Design des oberösterreichischen Herstellers. Wir sprachen mit dem Österreicher über das wie und warum und versuchten ein bisschen mehr über seine Zusammenarbeit mit KTM herauszufinden …

KISKA ist einer dieser großen Namen, der genannt wird, wenn es um die jüngere KTM Vergangenheit geht, besonders im Punkt Design. Wie und wann hat alles angefangen?
„1991 traf ich Herrn Pierer zum ersten Mal. Damals besaß er noch eine Firma, die Skibindungen herstellte und hatte mit Motorrädern nicht zu tun. Ich arbeitete damals bereits für KTM, weil wir einen Design-Wettbewerb gewonnen hatten, den der vorherige KTM Chef unter einigen Design-Studios ausgeschrieben hatte. Wir arbeiteten also schon ungefähr ein Jahr mit KTM zusammen, bevor Herr Pierer das Unternehmen übernahm. Von da an ging alles ziemlich schnell und ist ein bis heute andauernder Sprint! KTM startete im ersten Jahr mit 6.000 Motorrädern und ist jetzt bei fast 115.000 nach dem dritten Quartal (des Jahres 2014). Auch die Bandbreite des Produktpotfolios hat eine neue Dimension erreicht. In den ersten Jahren waren es hauptsächlich Offroad-Modelle und nur ein Street-Modell, die DUKE. Als die Zweizylinder ins Spiel kamen, hatten wir mehr Möglichkeiten.“

Sie haben den Wettbewerb mit Ihrer Agentur gewonnen. Was haben sie vor der Gründung Ihrer Agentur gemacht?
„Ich war damals ungefähr 30 Jahre alt, studierte Design in Österreich und verbrachte ein paar Jahre in Deutschland. 1986 arbeitete ich bei Porsche Design in der Nähe von Salzburg und entschied mich vier Jahre später meine eigene Firma zu gründen. Ich hatte Glück und kann gleich zu Beginn mit KTM in Kontakt und wurde eingeladen an dem Design-Wettbewerb teilzunehmen, den wir dann glücklicherweise für uns entscheiden konnten. Das habe ich wahrscheinlich auch meinem Interesse an Motorrädern zu verdanken; ich habe früh den Führerschein gemacht und fahre seitdem selbst.“

Was mussten Sie für den Wettbewerb designen?
„Ein LC4-Motorrad. Es war ein ziemlich gewagtes Konzept, denn zum ersten Mal entschieden wir uns einen Lateral-Rahmen für ein Offroad-Motorrad zu bauen, der die Testphase allerdings nicht überstand. Es war ein ungewöhnliches Konzept für ein Gelände-Motorrad und die wichtigste Aufgabe war, es trotzdem wie ein Offroad-Motorrad aussehen zu lassen! Das war die Herausforderung und ich denke, wir haben die Aufgabe besser gelöst als die anderen.“

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KTM LC4 Enduro

Wie hat sich Ihre Beziehung zu KTM über die letzten 25 Jahre entwickelt, z.B. der Arbeitsumfang und die Aufgaben?
„Von Anfang an hatten wir die volle Verantwortung für alle Motorräder, zunächst also für ein paar 2-Takt-Motocross-, Enduro- und LC4-Modelle. Das war im Jahr 1992. Später wurde die Produktpalette immer vielfältiger. In der ersten Zeit war es schwierig für unser kleines Team das Arbeitspensum zu bewältigen, aber wir haben es geschafft. Dann kamen die neuen Motorradgenerationen – der Viertakter bei den Offroad-Modellen, der V2 und dann noch mehr! Zu dieser Zeit haben wir schon mehr für KTM gemacht, denn Mitte der 90er Jahre gab es Schwierigkeiten mit der Werbeagentur, mit der wir damals zusammenarbeiteten. An dem Punkt sagte Stefan Pierer „hört auf euch zu beschweren und zeigt uns, dass ihr es besser machen könnt“. Damit waren wir herausgefordert ein neues Kommunikationskonzept für Prospekte und Anzeigen zu entwickeln. Wir präsentierten die Motorräder nicht länger in Ausstellungsräumen, sondern in Aktion. Das bedeutete viele Action-Aufnahmen und Reisen rund um die Welt, um die besten Locations für die Shootings zu finden. Es war eine dramatische Veränderung im Kommunikationsstil von KTM und ein sehr anspruchsvoller dazu. Es bedeutet eine Menge Aufwand alles frühzeitig in der Saison vorzubereiten und jedes Jahr neue Ideen zu entwickeln. Logistisch war und ist es nicht immer einfach, aber wir haben uns daran gewöhnt und wir sind durch diese Aufträge konsequent gewachsen. Ich würde sagen ein Drittel der Mitarbeiter, vielleicht sogar ein bisschen mehr, arbeitet ausschließlich für KTM.“

Es gab eine Zeit mit vielen neuen Technologien und verstärktem Engagement im Rennsport, dann die Krisenjahre und kurz danach nahezu eine Explosion an neuen Modellen. War es schwierig mit dieser Entwicklung Schritt zu halten?
„Ja, aber hier profitieren wir von unserer Organisation. Wie gesagt, 40% der Mitarbeiter können für KTM arbeiten, während sich der Rest auf unsere anderen Kunden konzentriert, so können wir das Arbeitsaufkommen ausgleichen.“

War KTM ein anspruchsvoller Kunde? Wurden einige Entwürfe auch nicht akzeptiert?
„Das Vertrauen, das Stefanb Pierer von Anfang an in mich hatte, war phänomenal. Wenn es etwas gab, das nicht passte oder anders sein sollte, hieß es immer „gib es Gerald“. Angefangen bei den Messeständen, dem Interieur der KTM Händler, das Design der Website bis hin zu Youtube-Videos; alles was von KTM sichtbar war, wurde im Wesentlichen von uns designt und hat sich über Jahre entwickelt. Wann immer es ein Problem gab, landete es bei uns. So viel Vertrauen ist toll, gleichzeitig aber auch eine Bürde, da KTM eine so schnell agierende Firma ist und normalerweise bleibt keine Zeit, um eine Extrarunde zu drehen. Der erste Versuch muss direkt ins Schwarze treffen.“

Stefan Pierer & Gerald Kiska 2013

Stefan Pierer & Gerald Kiska 2013

Gab es einen Punkt, an dem Sie die Firma schnell ausbauen musstest, um mit KTM mitzuhalten?
„Ganz klar Mitte der 90er. Damals hatten wir nur einen Grafiker und als Herr Pierer entschied, dass wir in Zukunft auch Kommunikationsagentur sein sollten, mussten wir über Nacht ein Team zusammenstellen. Dann kam auch noch die digitale Kommunikation dazu. Wir waren dringend auf der Suche nach Mitarbeitern und griffen zu, wo immer wir sie fanden! Gleichzeitig war und bin ich in Sachen Mitarbeiter aber auch sehr wählerisch, denn sie sind das Kapital des Unternehmens. Jeder kann einen Computer kaufen, aber die Arbeit, die man damit verrichtet, macht den Unterschied. Unter Zeitdruck ein gutes und qualifiziertes Team zusammenzustellen, ist eine große Herausforderung.“

Die „READY TO RACE“-Philosophie ist mittlerweile ein bekanntes Markenzeichen und setzt hohe Standards. Gibt es ein Projekt oder Konzept, auf das Sie besonders stolz sind?
„Die Kampagne rund um die 1290 SUPER DUKE R [2013], angefangen bei den Zeichnungen des Prototyps bis zu den Videos, die bei Youtube mehr als zwei Millionen mal angeklickt wurden, und insgesamt der ganze Hype, war die beste Kampagne, die wir bisher gemacht haben. Fast alle Abteilungen waren involviert, ähnliches gilt für KTM: von der Forschung und Entwicklung, bis zum Marketing, einfach jeder. Es war eine Herausforderung solch ein Projekt zu managen, aber ich denke, wir haben es gut hinbekommen. Die erste DUKE war ein weiteres Meilensteinprojekt. Zum ersten Mal verwendeten wir für eine KTM die Farbe Orange. Diese Idee entstand eher spontan und verfolgte keinen strategischen Plan. Lange Zeit hat diese Farbe das Image von KTM geprägt und ermöglichte das Wachstum auch im Street-Segment. Was wir heute sehen, ist nur der Nachfolger der gleichen Philosophie und Zutaten.“

KTM 1290 SUPER DUKE R & Gerald Kiska

Gerald Kiska & KTM 1290 SUPER DUKE R EICMA 2012

Was für eine Rolle haben Sie jetzt? Sind Sie eher Geschäftsführer oder noch Designer?
„Ich sitze nicht mehr selbst am Schreibtisch und designe … ich habe eher ein wachsames Auge auf alles! Ich gehe durch die Büros und kommentiere Dinge, insbesondere KTM relevante Themen. Ich habe stets einen Überblick über die Dinge, die wir machen und weise auf Dinge hin, die mir nicht so gut gefallen. Ich bin also immer noch beteiligt, nur nicht mehr ganz so aktiv.“

Woher nehmen Sie ihre Inspiration?
„Ich glaube KISKA hat ein deutlich kleineres ‘Ego’ als andere Design-Agenturen. Unser Ziel ist es, eine starke Marke für den Kunden und nicht für uns selbst zu kreieren. Ich denke das ist der Weg, dem Designer folgen sollten. Was wir für KTM entwickelt haben, ist perfekt auf sie zugeschnitten. Für eine andere Firma würden wir es komplett anders machen. In meinen Augen zeigt das Design das ‘Innere’ einer Firma. Für KTM bedeutete das ganz klar orange, ein bisschen ausgefallen, laut und lebhaft.“

Was ist mit dem Design der Offroad-Modelle? Es muss schwierig sein, es jedes Jahr ein bisschen anders zu machen?
„Das stimmt, aber ob man es glaubt oder nicht, jedes Jahr wird man ein bisschen cleverer. Es gibt Dinge, die perfekt funktionieren und wiederum andere, die ein paar Probleme aufweisen und die versucht man besser zu machen. Ein Offroad-Motorrad zu designen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Es gibt kaum Spielraum, viele Details spielen eine Rolle und die Ansprüche an die Zuverlässigkeit sind schier endlos – eigentlich muss man das Bike aus dem zehnten Stock eines Hochhauses werfen können und trotzdem noch fahrtüchtig sein. Wir laden Fahrer in unser Studio ein, um auf den Modellen zu sitzen und fragen sie, was sie ändern würden. Ich weiß nicht, ob das bei anderen Firmen auch so ist, dass die besten Fahrer der Motocross-, Rally– und Enduro-Szene sich auf Tonmodelle setzen und ihr Feedback geben. Wir laden sie zu einer frühen Designphase ein und diese Jungs sind wirklich detailversessen. Im Grunde gestalten wir ihr Arbeitsgerät. Für sie ist es das Mittel zum Erfolg und wir hören auf jedes Detail.“

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Stefan Everts KISKA 2013

Es gab viele Reaktionen auf die 1290 SUPER DUKE R. Wie lange haben Sie gebraucht, um das richtige Design für solch ein Motorrad zu entwickeln?
„Die ersten Skizzen und der erste Entwurf waren ziemlich schnell fertig, nach ungefähr drei Monaten. Das klingt nach viel Zeit, in der Realität ist die Zeit aber ziemlich kurz. Der erste Entwurf entstand wie gesagt ziemlich schnell, aber wenn man in den ersten sechs Wochen keine Richtung findet, dann wird es schwierig den Zeitplan einzuhalten. Dann beginnen wir damit ein CAD-Modell zu formen, bevor ein Modell aus Ton entsteht, das wir mit der Hand nachbessern. Hier kommt die Ergonomie ins Spiel und all die Details, die auf dem Bildschirm gut aussehen, in der Realität aber nicht praktikabel sind. Das alles passiert in drei bis vier Monaten. Dann konstruieren wir einen ersten Prototypen für Testfahrten und versuchen das Feedback der Testfahrer bestmöglich umzusetzen. Insgesamt kann dieser Prozess ein bis eineinhalb Jahre dauern, bevor das Design endgültig festgelegt ist und das Modell in die Entwicklung und Produktion geht.“

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KTM 1290 SUPER DUKE R Concept 1

Ist es nicht komisch an Projekten zu arbeiten, die erst 2017 oder 2018 das Licht der Welt erblicken?
„Das kommt immer darauf an, wieviel an dem Motorrad neu ist. Wenn es eine komplette Neuentwicklung ist, inklusive Motor und Rahmen, dann kann es schon mal vier oder fünf Jahre dauern.“

Auf welches Motorrad würde Ihre Wahl fallen?
„Aufgrund der vielen Arbeit ist meine Freizeit, in der ich Motorrad fahren könnte, ziemlich begrenzt. Die Zeit, die ich auf dem Motorrad verbringen kann, ist also etwas besonderes für mich! Dieses Jahr haben wir hier in Österreich ein bisschen Pech mit dem Wetter. Die Tage, an denen ich gefahren bin, kann ich an zwei Händen abzählen. Mit dem Motorrad unterwegs zu sein, ist immer noch ein Abenteuer – und das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn in der Garage habe ich eine 1190. Aufgrund seiner Vielseitigkeit das perfekte Motorrad für mich. Die ADVENTURE ist super agil und macht auf langen Touren genauso viel Spaß wie bei kurzen Ausfahrten nach der Arbeit. Ich habe ziemliches Glück, denn dort wo ich wohne, ist die nächste Bergstraße nur zwei Kilometer entfernt und ich kann verschiedene Touren fahren, ohne den gleichen Ort zweimal zu sehen.“

KTM steigt in die MotoGP ein. Ist das auch für Sie eine große Sache oder Chance?
„Ja, aber hier spielt die Aerodynamik eine große Rolle. Bis zu einem gewissen Maß, waren wir auch in die Entwicklung der Rennmotorräder eingebunden und in der Moto3 kann man einige unserer Designelemente sehen. Es ist eine Herausforderung und manchmal ein schwieriger Kompromiss Ästhetik und Funktion zu vereinen. Es braucht eine Menge Zeit und aus Sicht des Designers ist das Endergebnis ein Kompromiss. Aber ich freue mich auf dieses Projekt.“

Fotos: KISKA, KTM