Malagrotta: Cairolis Heimstrecke

Reise mit uns zur ‚Quelle‘ von neun FIM Motocross-Weltmeistertiteln und dem Ort, der Tony Cairoli zu einer MXGP-Legende machte.

„Ich fuhr Ende 2003 zum ersten Mal auf dieser Strecke und spule hier seitdem jedes Jahr viele Runden ab; ich habe aufgehört, mitzuzählen, es müssen mittlerweile aber ein paar tausend sein …“, erzählt uns Tony Cairoli, während sein Blick sehnsüchtig auf jenem kleinen Hügel liegt, auf dem sich in Malagrotta der meist harte Untergrund präsentiert.

Malagrotta (ITA) © Marco Campelli/Sebas Romero

Für den Launch der 2019er KTM-SX-Modelle hat der 32-jährige MXGP-Star die Tore zu seiner Teststrecke und der Anlage geöffnet, die er zusammen mit Red Bull KTM-Teammanager Claudio De Carli betreibt. Die Strecke liegt westlich des Zentrums von Rom – „nur einen Steinwurf entfernt“ – behauptet er optimistisch, den berüchtigten Verkehr der italienischen Hauptstadt ignorierend.

Zum Launch sind nicht nur zwei große Gruppen Journalisten nach Malagrotta gereist – auch AMA-Superstar Ryan Dungey gibt den verschiedenen neuen SX-F- und SX-Bikes (450, 350 & 250 bzw. 250, 150 & 125) die Sporen. Vom harten Boden des Hügels, auf dem sich verschiedene Kurven und Sprünge befinden (eine ‚orange gestrichene‘ Bar neben der Start-Ziel-Geraden wurde für die Dauer des Events von KTMs Technik- und Hospitality-Mannschaft übernommen), führt die Strecke ein steiles Gefälle hinunter und in einen holprigen, sandigen Abschnitt. Die Teilung bedeutet, dass Cairoli und sein italienisches Team de facto zwei Strecken in einer zur Verfügung haben.

Ryan Dungey (USA) © Marco Campelli/Sebas Romero

Obwohl er zu Beginn seiner Karriere in Belgien lebte, um zu trainieren und sandiges Terrain besser beherrschen zu lernen, diente ihm Malagrotta fast seine gesamte Grand Prix-Karriere hindurch als Basis – 15 Jahre, 223 Grand Prix-Rennen, mehr als 80 Siege und 101 Podestplätze lang.

„Um ehrlich zu sein, hat sich die Strecke im Laufe der Jahre nicht besonders stark verändert und der Sand im unteren Teil war immer ein besonderer Abschnitt, denn dort ändert sich das Gelände in jeder Runde, immer triffst du dort auf andersartige Wellen. Das ist gut zum Testen und Trainieren.“

„Dieser Ort ist groß und verlangt viel Wartung“, fügt er hinzu. „Die Strecke ist oben am Hügel hart und wir müssen viel Arbeit hineinstecken, um den Boden aufzulockern und ihn GP-würdig zu machen, also mit Furchen und Wellen zu versehen. Es ist viel Arbeit, die Feuchtigkeit im Boden zu halten. Manche Teile der Strecke sind außerdem recht felsig und dort ist es umso schwieriger, den Boden aufzulockern. Es ist aber gerade diese Mischung, die diese Strecke so besonders macht.“

Malagrotta ist sicher sehr variantenreich. Man darf aber davon ausgehen, dass #222 alle Sprünge und Wellen genau kennt. „Natürlich ist es manchmal langweilig, da ich schon so viele Runden hier gefahren bin. Für mich ist es aber wichtig, dass ich einfach hierherkommen, trainieren und dann wieder gehen kann“, so Cairoli. „Außerdem bin ich Miteigentümer der Strecke und so interessiert es mich, dass sie für all jene, die herkommen, fahren und trainieren wollen, in einem guten Zustand ist. Wir haben im Laufe der Jahre einiges investiert, das meiste Geld geht aber wahrscheinlich dafür drauf, die Strecke zu warten. In diesem Teil Italiens gibt es nicht viele Amateure, besonders im Vergleich zum Norden und Orten wie Ottobiano und Dorno, die auch viele ausländische Fahrer aus Frankreich, Deutschland und Österreich anziehen. Trotzdem hat diese Strecke viel Potential, und wenn ich einmal mit dem Rennfahren aufhöre, möchte ich mehr Leute aus ganz Europa hierherbringen. Schließlich ist sie nur 5 Minuten von Rom und 20 vom Flughafen entfernt. Sie ist ausgezeichnet gelegen und auch das Wetter ist meistens gut. Und im Winter ist sie niemals gefroren.“

Tony Cairoli (ITA) © Ray Archer

Cairoli nutzt Malagrotta noch immer intensiv. Tatsächlich muss er angesichts der heftigen Konkurrenz in Gestalt seines Red Bull KTM-Teamkollegen Jeffrey Herlings im Kampf um die diesjährige MXGP-Krone konzentriert bleiben und versuchen, eine Schwachstelle beim Niederländer zu finden. Der Kurs dient ihm auch als Basis für die Wintertests und ist der Ort, an dem De Carli und seine Mannschaft die KTM 450 SX-F, die Tony in der letzten Saison zu einem weiteren Weltmeistertitel verholfen hat, vorbereitet haben. „Ich fahre hier mehr als je zuvor, da ich heute weniger Zeit in Belgien verbringe“, verrät uns Cairoli. „Während der Tests legen wir hier immer unser Setup für die Saison fest. Wir kennen das Gelände sehr gut, was es gut für Vergleichstests macht, und die Mischung des Terrains bedeutet, dass wir eine große Vielfalt haben.“

Dank der Tatsache, dass er Malagrotta wie seine Westentasche kennt (De Carlis jüngster Schützling Jorge Prado ist gerade dabei, sie kennenzulernen; auch der MX2-GP-Sieger spulte Runden auf seiner KTM 250 SX-F ab), liefert er seine Bewertung blitzschnell ab. „Der schwierigste Teil ist der untere Abschnitt; der Sand und die Furchen in Kombination mit dem Gefälle und den Wellen. Das ist auch mein Lieblingsteil!“

Und wie wär‘s mit einer etwas ‚objektiveren‘ Beurteilung? Cairoli und Malagrotta sind durch eine Hassliebe verbunden, wie aber denkt ein Neuling über die Strecke? „Ich fand den Kurs fantastisch“, grinst der Testfahrer und ehemalige britische Meisterschaftsfahrer Dave Willet. „Anstiege, überhöhte Kurven und Sand sind immer toll … meine einzige Kritik ist, dass die Abfahrtsrampen etwas länger sein sollten. Sie müssen mindestens eine Motorradlänge lang sein und das waren sie nicht! Trotzdem eine großartige Strecke, die viel Spaß macht und zu vielen Runden einlädt.“

Fotos: Marco Campelli | Sebas Romero | Ray Archer
Video: Luca Piffaretti